SWR3 Gedanken

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Heute ist Karfreitag. Der Tag, an dem Jesus gestorben ist. Für die einen ist dieser Tag mit Stille und großer Trauer verbunden. Für die anderen ist Karfreitag jener Tag, an dem das Tanzen verboten ist.
Dürfen die das? Dürfen Staat und Kirche uns vorschreiben, wie wir uns an diesem Tag zu verhalten haben? Warum soll nicht tanzen gehen, wer mit der Kreuzigung Jesu keine religiösen Gefühle verbindet?
Als Jesus damals am Kreuz gestorben ist, haben schließlich auch nicht alle getrauert. Im Gegenteil, es ist anzunehmen, dass die Römer erst recht einen drauf machten.
Ich finde das Tanzverbot trotzdem richtig. Weil es Anlass gibt zu protestieren. Und zu fragen: Ist ein Tag denkbar, an dem wir alle miteinander über das Leid und den Tod nachdenken?
Klar, wenn eine Katastrophe nationalen Ausmaßes passiert, dann tun wir das schon mal. Aber nur kurz. So lange die Medien uns in Atem halten. Und so manche Frage wird erst gar nicht gestellt.
Vor 2000 Jahren hat sich eine solche Katastrophe für die Anhänger Jesu mit dessen Tod verbunden. Mit der Ermordung dieses Menschen waren sämtliche Hoffnungen vernichtet: die Hoffnung auf Freiheit und Unabhängigkeit, die Überzeugung, dass Gott auf ihrer Seite steht. Stattdessen die quälende Frage, wo Gott eigentlich steckt in diesem grausamen Geschehen.
Diese Frage hat überlebt, wir stellen sie uns immer wieder neu. Die Todesopfer, Morde, Katastrophen sind nicht weniger geworden seit der Zeit Jesu.
Insofern hat der Karfreitag eine hohe Symbolkraft auch für Nichtchristen: Wir können viel bewegen, aber vor dem Tod müssen wir auch kapitulieren.
Für Menschen, die glauben, ist diese Kapitulation nicht das Ende. Sondern: da wo Menschen aufgeben müssen, da ist Gott am Zug. Auch wenn man das manchmal nicht wahrhaben will oder auch nicht spüren kann.
Deshalb ist Karfreitag, der Todestag Jesu, ein Tag der Trauer und der Kapitulation, der uns ganz auf Gott verweist. Und eben ein Tag, an dem das Tanzen verboten ist. Damit wir uns unseren Fragen stellen, damit wir sie überhaupt einmal stellen. Alle.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12799
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