SWR3 Gedanken

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Frühversargung. Den Begriff habe ich neu gelernt. Die Psychologie hat ein neues Phänomen in der Gruppe der 20 bis 30Jährigen entdeckt: die Frühversargung[1]!
Im Leben der Frühversargten, sagen die Psychologen, ist alles perfekt, fest verschraubt, massiv eingebaut und farblich passend. Keine Experimente, kein Platz für Provisorien - man lebt, als gäbe es keine Veränderung mehr.
Ordnung und Sicherheit braucht jeder Mensch. Zu feste Ordnung, zuviel Sicherheit schmälert jedoch die Lebensintensität - Frühversargung trifft es gut, finde ich. Und heimlich überlege ich, ob ich nicht auch schon auf dem Weg dahin bin.
Zum Glück kenne ich dazu auch den Gegenentwurf. Oliver lebt den in Person. Oliver hat eine Zeitlang in der WG einer Freundin gewohnt.
Sein größter Ehrgeiz: nie mehr Besitz anhäufen als in zwei Koffer passt!
„Bücher gibt's in der Uni. Kleider habe ich genug und eine Matratze find ich auch überall", hat er gesagt und entsprechend studiert und gefeiert und gelebt. Intensiv, konzentriert und ohne Angst vor der Zukunft. Das Gegenteil von frühversargt, sozusagen.
Leider weiß ich nicht, wo Oliver inzwischen gelandet ist mit seinen zwei Koffern, in der Frühversargung jedenfalls ganz bestimmt nicht.
Und auch, wenn mein Leben inzwischen nicht mehr in zwei Koffer passt - seit Oliver weiß ich, dass das Leben intensiver ist, wenn ich ganz in der Gegenwart lebe und offen bin dafür, was die Zukunft bringt. Leben ist jetzt. Leben ist Veränderung. Ich bin entschieden gegen Frühversargung, weil ich für das Leben in all seinen Facetten bin.


[1] Chrismon 2/2012, S. 32: Psychologe Stephan Grünewald, Rheingold-Institut in Köln

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12795
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