Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wo kommen die Menschen hin, wenn sie sterben? Das ist eine der Fragen, die Kinder stellen. Am Grab der Großmutter. Oder wenn der Klassenkamerad überraschend stirbt. Oder beim Blick in die Zeitung, wenn von einem Verkehrsunglück berichtet wird. Häufig heißt die Antwort dann: „Im Himmel." Da soll der Tote sein. Eine tröstliche Vorstellung. Himmel, das klingt gut. Nach frischer Luft, nach Sonne und Weite.
Wo geht jemand hin, der stirbt? Das ist auch eine Erwachsenenfrage. Im christlichen Glaubensbekenntnis steht eine ganz und gar ungewöhnliche Antwort. Da steht über Jesus: Er ist „hinabgestiegen in das Reich des Todes." Deutlicher lässt sich kaum sagen, dass da jemand tot ist. Kein Wort vom Himmel, keine tröstenden Worte. Für die ersten Christen ist klar: Dieser Jesus ist tatsächlich gestorben. Und wer stirbt, für den geht es hinunter. Nicht rauf in den Himmel, sondern runter in das Reich der Toten. Im Judentum ist das eine selbstverständliche Vorstellung. Da leben die Toten unten, weit entfernt von Gott. Führen eine Art Schattendasein. Leben in Verlassenheit, absoluter Sinnlosigkeit. Der Satz „Hinabgestiegen in das Reich des Todes" macht das deutlich. Auch dieser Jesus erlebt also einen ganz und gar sinnlosen Tod. Ist verlassen und einsam am Ende des Lebens. Hinabgestiegen in das Reich des Todes - das klingt aber auch aktiv. Da ist keiner in den Tod gezerrt worden. Da wird keiner ums Leben gebracht. Sondern da geht jemand in den Tod, geht ganz aktiv geht er auf diesen Tod zu. Ein bisschen so, wie man eine steile Treppe in den Keller heruntersteigt. Für mich klingt das hoffnungsvoll. Nicht der Tod ist hier mächtig, sondern der Mensch kann immer noch handeln. So klingt auch an, was Christen glauben: Dass dieser Jesus wieder aus dem Tod emporsteigt. In den Himmel kommt. Ich finde den Satz „Hinabgestiegen in das Reich des Todes" deshalb tröstlich. Er sagt mir, dass auch dieser Jesus selbst im Tod sein Leben mit den Menschen teilt. Ich bin nicht allein, wenn es ans Sterben geht. Und er gibt mir Hoffnung, dass auch ich nicht immer da unten im Tod bleibe. Sondern dass irgendwann der Satz richtig ist: Jemand der stirbt, ist irgendwann auch wirklich „im Himmel".

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12791
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