SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Menschen können einander gut tun - sie können einander auch enttäuschen und tief verletzen, gerade wenn sie sich nahe stehen. Oft geschieht dies nicht absichtlich, man glaubt vielleicht, nicht anders handeln zu können, weil die Situation so schwierig oder verfahren ist. Man verteidigt dann die eigene Position und merkt gar nicht mehr, dass der andere ganz aus dem Blick gerät. Die Beziehung bekommt einen Bruch. Es gibt Verstimmung, Streit und endlose Diskussionen darüber, wer im Recht ist. Oder beide reden überhaupt nicht mehr miteinander. Da fällt es schwer, den eigenen Anteil zu sehen und eigene Fehler einzugestehen. Ich möchte gerne gut dastehen - vor mir selbst und vor den andern. Und ich möchte im Recht, mit dem, was ich tue. Und so bin sehr erfinderisch, wenn es darum geht, Gründe für mein Verhalten zu finden, das eigentlich nicht in Ordnung war. Wer zu seinen Fehlern steht und seine Schuld eingesteht, macht sich verletzlich und angreifbar. Das gilt in der Öffentlichkeit wie für die engeren Beziehungen. Was wird aus mir? Wie wird der andere mich künftig sehen? Wird er über mich urteilen, mich womöglich verurteilen? Da ist es sicherer, mich innerlich einzumummen und in mich selbst zurückzuziehen, um unangreifbar zu bleiben. Ich gehe auf Distanz und in letzter Konsequenz kündige ich die Beziehung auf. Es gibt aber auch einen anderen Weg. Dass ich den Mut zu haben, trotz meines Fehlverhaltens die Beziehung zum andern nicht aufzugeben. Das bedeutet mit dem Versteckspiel aufzuhören und aufrichtig zu sein. Das heißt, mich in den andern einzufühlen und anzuerkennen, wo ich ihn verletzt oder enttäuscht habe. So kann ich dann den berühmten ersten Schritt tun, und den anderen für mein Verhalten um Verzeihung bitten in der Hoffnung, dass er mich nicht verurteilt sondern mir eine neue Chance gibt. Das ist leichter gesagt als getan. Ich muss vertrauen können, dass ich  trotz meiner Fehler und Schattenseiten geliebt werde.  Solches Vertrauen kann bereits in der Kindheit gewachsen sein, oder wenn ich Menschen begegne, denen ich mich öffnen kann. Auch der Glauben an Gott kann mich bestärken, weil Gott verzeiht und in seiner Liebe nicht von uns läßt. Wer aus diesem Vertrauen lebt, muss dann nicht alle seelische Energie aufwenden, um mit reiner Weste da zu stehen. Im Gegenteil: er kann seelisch wachsen, weil er zu seinen Fehlern stehen lernt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12743
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