SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Geh aus mein Herz, und suche Freud, in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben" In dieses Lied hat Paul Gerhardt ja alles reingepackt, was den Frühling und den Sommer so schön macht. Damals und heute. Die Bäume mit ihrem Laub, Narzissen und Tulpen, die bei ihm, 1653, noch auf den schönen altmodischen Namen Tulipan hören. Die Lerche und Nachtigall, Storch und Glucke, Weizen, Bächlein, Bienenschar und was weiß ich noch alles. Ja, selbst noch das „Lustgeschrei der Schaf und ihrer Hirten."
Heute ist Frühlingsanfang. Letzte Woche war es schon einmal richtig warm draußen. Die Störche reparieren schon ihre Nester. Bald wird der Rasen vorm Haus wieder grün. Zwischen den weggeworfenen Pommestüten am Straßenrand blühen Narzissen. Der Löwenzahn  sprießt überall, selbst zwischen den Lücken im Asphalt. Endlich wieder Sonne, Frühlingshauch und Sommerwind. Endlich wieder draußen sitzen und Wespen verscheuchen, wenn sie das Bier umschwirren, und die Fliegen, die sich auf die Torten setzen. Also: „Geh aus, mein Herz und suche Freud...!"

Das Lied lässt wie der Frühling, wie der Sommer, selbst aufatmen. Weil es noch weiter sieht als bis zu den Tulpen im Vorgarten. Es sagt uns klipp und klar: Dies ist ein schöner Frühling und ein schöner Sommer mehr auf dieser unserer „armen Erde". 

Arm ist und bleibt das Leben hier unten. Denn auch im Frühling wird gelitten und gestorben. Auch im Frühling wird geweint und getrauert. Weil wir, so dichtet Paul Gerhardt, solange wir leben, des „Leibes Joch" mit uns tragen. Unser Körper ist und bleibt nicht nur die  Quelle allen Vergnügens. Er ist und bleibt genauso die Quelle von Schmerzen und Leiden. Darum brauchen wir Trost, selbst jetzt, wo alles so schön ist. Der lautet: „Welch hohe Lust, welch heller Schein, wird wohl in Christi Garten sein" und „O wär ich da, o stünd ich schon, ach süßer Gott vor deinem Thron." So redet heute niemand mehr - und doch versteht man, was der Dichter damit meint: Nach diesem Leben hier gibt es noch ein anderes. Wenn wir es hier trotz aller Einschränkungen schön fanden, wird es dort, in der anderen Welt, nahe bei Gott, noch sehr viel schöner.   
Wer darauf hofft, kann sich doppelt freuen: auf den Frühling hier unten, und auf den Frühling dort  oben: In Gottes Garten., wo mit dem Blühen der Linde kein Heuschnupfentränen fließen und das Knattern der Rasenmäher uns nicht mehr aus den Träumen reißen wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12732
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