Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die Polizei klingelte um 6.45 Uhr an der Tür des Pfarrhauses in Koblenz. Sachlich und knapp erklärten die Polizeibeamten dem katholischen Priester die Rechtslage: die kurdische Familie, die in seiner Kirche Zuflucht gesucht habe, habe kein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland und müsse das Land umgehend verlassen. Um eine Eskalation der Situation zu vermeiden, öffnete der Pfarrer die Tür zur Kirche. Der Mutter, dem Vater sowie den drei Kindern im Alter von 5, 7 und 10 Jahren blieb nur wenig Zeit, das Notwendigste zu packen. Nur eine Stunde später wurden sie zum Flughafen gebracht und in die Türkei abgeschoben. Die gewaltsame Beendigung des Kirchenasyls ließ nicht nur den Pfarrer sprachlos zurück. Auch der Unterstützerkreis, der seit einem Jahr versucht hatte, die drohende Abschiebung zu verhindern, war geschockt. Hauptgrund für ihr Engagement waren die drei minderjährigen Kinder. Das jüngste ging noch in den Kindergarten, die beiden älteren besuchten die Grundschule. Alle Kinder der kurdischen Familie waren in Koblenz geboren. Sie sprachen deutsch, nicht türkisch. In Koblenz hatten sie ihre Spielkameraden, Koblenz war und ist ihre Heimat. Die zwangsweise Abschiebung in ein für sie fremdes Land, deren Sprache und Kultur sie nicht kennen, wird für immer ein Trauma für sie bleiben. Abgesehen davon droht dem Vater in der Türkei Gefängnis und Folter. Auch wenn die Abschiebung nach Angabe der Verantwortlichen völlig korrekt nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgt ist: für mich und viele Menschen in Koblenz bleibt unverständlich, warum man Kindern solch traumatische Erfahrungen nicht ersparen kann. Selbst wenn die Eltern im Asylverfahren Fehler gemacht haben, dürfen doch nicht unschuldige Kinder dafür bestraft werden. Gott sei Dank hat in dieser Situation die Kirche nicht geschwiegen. Wenn Recht keine Gnade kennt, wird es zum Unrecht, formulierte der Koblenzer Dechant in einem Solidaritätsgottesdienst. Auch der Trierer Bischof Marx verteidigte das Koblenzer Kirchenasyl. Und erst vor zwei Wochen forderten die beiden großen Kirchen gemeinsam dazu auf, dass Kinder nicht die Leidtragenden der Asylpolitik sein dürften. Vielleicht war das Kirchenasyl in diesem Sinn doch nicht ganz umsonst: es hat an die biblische Tradition erinnert, den Flüchtlingen Schutz und Hilfe zu gewähren. Denn nicht Sonntagsreden machen eine Gesellschaft menschenwürdig, sondern die Rücksichtnahme auf die Kleinen und Schwachen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=127
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