SWR2 Wort zum Tag

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Ein Bild des Malers Andreas Felger hat mich in den Sendungen der letzten Tage begleitet. Es erzählt mir viel. Es führt meinen Blick hinein in die verschiedenen Phasen einer Entstehungsgeschichte: durch dunkle Schichten hindurch, auch in helle, lichte Zonen hinein. Ich erkenne darin Phasen, die Glück, Leben, Hoffnung symbolisieren, aber auch solche, die von dunklen Zeiten und vom Ringen um Licht erzählen. Etwas fällt mir besonders auf: Vom Bildgrund dringen Lichtpunkte herauf - vereinzelt, aber doch markant. Sie dringen durch Verflechtungen und Verdichtungen herauf an die Oberfläche und verschaffen sich auch durch die dunklen Farben hindurch Aufmerksamkeit - wenn ich diese Lichtpunkte zu sehen verstehe.
Andreas Felger hat dieses Bild erst vor kurzem geschaffen, nachdem er seinen seit Jahrzehnten vertrauten Lebensrahmen in einer geistlichen Gemeinschaft verlassen und noch einmal einen Neubeginn gewagt hat. Und er hat auch - wie schon öfter in seinem Leben - noch einmal zu einem gestalterischen Neuaufbruch gefunden. Dieses Bild steht für das Jetzt. Vieles Vergangene scheint darin auf. Aber es ist auch offen auf die Zukunft hin. Das Licht, das vom Grund her leuchtet, ist auch Verheißung.Das spiegelt für mich meine eigene Lebenssituation. In Kürze trete ich in den so genannten Ruhestand. Abschied und Neubeginn. Anlass, um im Jetzt das Bild meiner selbst zu betrachten, das im Laufe vieler Jahre entstanden ist. Solche Anlässe gibt es in jedem Leben - immer wieder. Der Blick fällt auf helle und dunkle Farben, Hoffnungen und Enttäuschungen für mich und für andere. Ich sehe viele Verflechtungen und Verwirrrungen. Manches habe ich nicht erreicht, vieles ist gelungen. Alles gehört dazu, zu allem muss ich stehen. Aber vom Grund her bleibt das Licht bestimmend. Im Jetzt treffen sich Vergangenheit und Neubeginn - immer. Manchmal wird es nur deutlicher bewusst. Das Vergangene bestimmt das Bild immer mit. Aber ich möchte das Zukünftige nicht einfach sehen als Fortsetzung des Vergangenen mit beschränkten Möglichkeiten, sondern so, dass sich vieles öffnet, was ich noch gar nicht ahnen kann. In der modernen Malerei verweisen die Bilder ins Unbegrenzte und Offene. Obwohl natürlich jedes Bild dennoch seine Begrenzung hat. Auch in jedem Abschnitt meines Lebens eröffnen sich neue Möglichkeiten. Wie alt ich bin, wie viel Zeit ich dafür habe, spielt eigentlich keine Rolle. Faktisch sind diese Möglichkeiten natürlich begrenzt. Aber das Jetzt bedeutet stets Offenheit nach vorne. Es lohnt sich immer, sich hinein zu wagen. Das ist das Licht, das vom Grund her aufscheint und nach vorne weist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12695
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