SWR2 Wort zum Tag

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„Ich bin entnazifiziert worden durch Musik“. Hat Fritz Rau gesagt, der wichtigste Veranstalter von Rock-, Blues und Jazzkonzerten der letzten 50 Jahre. „Entnazifiziert durch Musik.“ Fritz Rau hat das so erklärt: „Marschmusik macht die Protzigen noch protziger und die Schwachen noch schwächer. Blues und Jazz ermutigen die Schwachen. Ich bin entnazifiziert worden durch Blues und Jazz.“ Dieses Wort macht mir Mut. Gerade heute am 8. Mai, 62 Jahre nach dem Ende von Nazideutschland. Es ist für mich ein Zeichen für den langen Atem jüdisch-biblischen Geistes. Wie das? Was hat Fritz Raus Entnazifizierung durch Blues und Jazz mit der Bibel zu tun?
Was hat es mit der Bibel zu tun, dass ein junger Mann, der unter den Nazis groß geworden ist, geprägt von ihrer Musik der Stärke für die Starken. Dass der sich in den 1950er Jahren vom Marsch zum Jazz und Blues bekehrt? --
“Jazz und Blues ermutigen die Schwachen“. Wieso können sie das? Ich glaube, es hat mit ihren Wurzeln zu tun.
Denn: Jazz und Blues sind Kinder des Gospel und der Spirituals. Der geistlichen Musik der schwarzen Bevölkerung Amerikas. In den Spirituals haben die früheren Sklaven ihren Glauben und ihre Hoffnung auf Freiheit ausgedrückt. „Let my people go, lass mein Volk frei.“ Im Gospel und in den Spirituals spürt man die Schmerzen, die ihnen die weißen Herrenmenschen zugefügt haben. Und den Mut, den der Glaube gibt. In dieser Musik lebt die Hoffnung auf Gott, bis heute. Dass er die Kraft der Schwachen ist und aus Unterdrückung befreit. Und diese Kraft ist auch im Jazz und im Blues noch da.
Ihre tiefe Kraft und Hoffnung schöpfen die Spirituals aber aus Erfahrungen, die weiter zurück reichen. „Go down Moses, tell old Pharao, let my people go” heißt es ja. “Mose, geh zum Pharao, sag ihm, er soll mein Volk frei geben.“ So wie Gott sein geknechtetes jüdisches Volk befreit hat, so kann er auch uns von Unterdrückung befreien. Gott ist auf der Seite der Schwachen. Befreit, immer wieder. Das ist die biblische Ur-Erfahrung, die in den Spirituals lebt und die Schwachen ermutigt.
Diesen Geist hat Fritz Rau auch noch im Jazz und Blues gespürt. Insofern schließt sich bei ihm auf wunderbare Weise ein Kreis. Seine Befreiung vom Geist der Stärke der Starken verdankt Fritz Rau indirekt also dem jüdischen Volk, das doch eigentlich davon vernichtet werden sollte. Wenn das keine Ermutigung der Schwachen ist. Und eine Aufforderung, jedwedem Antisemitismus zu widerstehen, im Namen des biblischen Gottes. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1268
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