SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

- Wovon es abhängt, ob wir uns verstehen
Kennen Sie das, wenn Sie sich bei einem Gespräch so richtig wohl fühlen? Wenn Sie spüren: Der andere versteht mich, meine Gedanken, meine Gefühle? Mir geht es gut, wenn ich mit einem Freund spreche, der mich schon lange kennt. Manchmal aber auch, wenn ich mit einem Menschen zum ersten Mal spreche. Woran liegt es, dass manche Gespräche diesen Wohlfühl-Faktor haben - und andere nicht? Schon vor einigen Jahrzehnten hat ein Wissenschaftler versucht, genau das herauszufinden. Er hieß Carl Rogers. Er hat viele Gespräche genau untersucht. Zuerst bekam er heraus, was keiner von uns mag. Wir mögen es nicht, wenn uns jemand bevormunden will. Das geschieht viel häufiger, als wir vielleicht denken. Oft sind es einfach gut gemeinte Ratschläge. Zum Beispiel: „Jetzt mach Dir doch keine Sorgen!" Klingt eigentlich ganz nett. Wenn jemand Sorgen hat, hilft es ihm aber nicht weiter. Beim Gesprächspartner entsteht eher der Eindruck: Der andere nimmt mich mit meinen Sorgen nicht ernst. In vielen Gesprächen zeigt sich: Ich dränge den anderen in eine bestimmte Richtung. Oft bemerke ich es gar nicht. Aber es wird meistens kein gutes Gespräch daraus. Carl Rogers sagt, für ein gutes Gespräch braucht es drei Dinge: Ehrlichkeit, Mitgefühl und Wertschätzung. Eigentlich ist das doch selbstverständlich! Ehrlichkeit - Naja, in vielen Gesprächen nehme ich es damit nicht so genau. Zum Beispiel, wenn ich dem anderen gefallen will oder wenn ich kleine Schwächen nicht zugeben will. Auch das zweite Stichwort hört sich zunächst mal einfach an: Mitgefühl zeigen. Aber es ist ganz schön anstrengend, sich wirklich für den anderen zu öffnen. Ich muss Platz machen für fremde Gefühle. Mich bewusst auf den anderen einlassen. Das kostet Kraft. Ich finde, die dritte Eigenschaft ist eine besondere Herausforderung: die Wertschätzung. „Wertschätzen" - Das heißt, den anderen nicht zu bewerten. Ihn nicht in ein Schema zu pressen. Ihn so anzunehmen, wie er ist. Carl Rogers hat gewusst, dass gute Gespräche nicht vom Himmel fallen. Er hat aber gezeigt, dass jeder lernen kann solche Gespräche zu führen. Seine Regeln klingen einfach, sind aber anspruchsvoll. Ehrlich sein, sich in den anderen einfühlen, den anderen wertschätzen. Ich hab's ausprobiert und schnell gemerkt, dass es gut ist, sich erst mal auf eines der drei Dinge zu konzentrieren. Dann kann ich mich langsam steigern. Es ist wirklich nicht einfach. Aber es lohnt sich. Denn dieses Gefühl, den anderen zu verstehen und von ihm verstanden zu werden, ist: unvergleichlich.  

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