Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Kinder an die Macht!" So hat es Herbert Grönemeyer vor gut 25 Jahren gefordert. Der Song wurde ein Hit und ist bis heute populär: „Gebt den Kindern das Kommando. Sie berechnen nicht, was sie tun. Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende. Wir werden in Grund und Boden gelacht. Kinder an die Macht!" Das klingt toll. Und wer wollte bestreiten, dass Kinder so herrlich spontan, unbekümmert und fröhlich sein können?! Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Kleinen können auch ganz anders. Im Kindergarten, auf Spielplätzen und Schulhöfen herrscht oft genug die Macht des Stärkeren. Es wird beleidigt, gespuckt, geschlagen und getreten. Urplötzlich wird aus einem friedlichen Spiel ein brutaler Streit. Dann gilt das Faustrecht. Kinder sind keine Engel. Hass und Neid, Jähzorn und Zerstörungswut sind ihnen nicht fremd. Und manchmal berechnenKinder sehr wohl, was sie tun. Schon die Kleinsten können rücksichtslose Egoisten sein. Fairer Umgang mit den Mitmenschen ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Eltern, Erzieher und Lehrer müssen den Kindern helfen, Respekt und Rücksichtnahme zu entwickeln und einzuüben. Das kostet viel Kraft. Denn mit bloßen Verboten und Drohungen ist es nicht getan. Erziehung bedeutet, den Kindern einsichtig zu machen, warum man das eine tun und das andere lassen soll. Und genau das wollen die Kinder ja auch wissen, wenn sie immer wieder so eindringlich fragen: „Warum ?" Eine solche Erziehung hat nichts mit Drill und Fremdbestimmung zu tun. Aber wer als Kind nicht gelernt hat, auch die Bedürfnisse der Anderen zu sehen, der wird es als Erwachsener sich und seinen Mitmenschen schwer machen. „Gebt den Kindern das Kommando!" Ob Herbert Grönemeyer das heute noch genauso texten würde? Keine Ahnung. Ich weiß nur: als er das Lied schrieb, hatte er noch keine eigenen Kinder.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12643
weiterlesen...