SWR3 Gedanken

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Jeden Morgen lässt Gott seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, hat Jesus einmal gesagt. Und ich füge hinzu: Gott lässt seine Sonne aufgehen über Menschen, die ganz verschieden an ihn glauben. So einen Sonnenaufgang hab ich vor einigen Wochen selber erlebt. Während eines Urlaubs in Ägypten bin ich mit einer Reisegruppe in einer abenteuerlichen Nachtwanderung auf den Berg geklettert, von dem die Bibel erzählt, dass Moses dort die 10 Gebote auf zwei Steintafeln direkt von Gott bekommen hat. Der Sonnenaufgang dort gehört zu den schönsten - so erzählt es uns der Beduinenführer, der uns begleitet. Unterwegs frage ich mich mehr als einmal, ob es nicht einen anderen, weniger mühsamen Ort gibt, um zu beobachten, wie die Sonne aufgeht. Aber heute gibt es kein Zurück mehr. Endlich, nach drei Stunden Fußweg, kommen wir oben an. In einer halben Stunde wird sie so richtig aufgehen, aber schon die Dämmerung ist ein farbenfrohes und besonderes Erlebnis. Ganz langsam tauchen auf dem Gipfel aus dem Dunkel der Nacht zwei Gebäude auf: eine alte Kirche und eine Moschee, denn dieser Ort ist Christen und Muslimen heilig. Und den Juden auch. Die Geschichte von Moses gehört zu den gemeinsamen Geschichten, die sich Bibel und Koran teilen. Und es gibt noch mehr davon. Hier, auf dem Mosesberg, gelingt, was an anderen Orten schwierig ist: das Miteinander von Menschen, die gemeinsam glauben, obwohl sie unterschiedlichen Religionen angehören.
Während die Sonne hier aufgeht, stimmt einer aus unserer Gruppe ein altes Kirchenlied an: Großer Gott, wir loben dich. Und wenige Meter daneben sehe ich, wie ein Muslim betet und auf seine Weise Gott lobt. Was für ein friedliches und schönes Bild. Ich bin davon überzeugt: Menschen, die miteinander beten, werden nicht gegeneinander kämpfen. Hier auf dem Mosesberg nicht. Und auch nicht anderswo. Jeder Sonnenaufgang zuhause wird mich immer wieder daran erinnern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12634
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