SWR3 Gedanken

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Liebeschaos im Schloss - diese Schlagzeile lese ich vor ein paar Tagen in der Zeitung. Gemeint war aber keine der üblichen Tratsch- und Klatschgeschichten aus den europäischen Königshäusern, gemeint war der bald neue erste Mann in unserem Land, Joachim Gauck. Der ist zwar verheiratet, hat auch vier erwachsene Kinder, aber lebt mit einer anderen Frau schon viele Jahre zusammen, ohne Trauschein, also in wilder Ehe.
Ich finde das mutig. Ein Bundespräsident, der mit einer Frau ins Schloss Bellevue zieht, mit der er nicht verheiratet ist, so einen hatten wir bisher noch nicht. Aber auch bei seinem Vorgänger war das ja nicht so ganz einfach. Der lebte im Schloss Bellevue in zweiter Ehe mit einer richtigen Patchworkfamilie, also mit Kindern aus verschiedenen Beziehungen.
Wie unmoralisch! Wilde Ehe, das darf doch nicht sein - das sagen in diesen Tagen nicht wenige. Ein Bundespräsident muss Vorbild sein!
Ja, ein Bundespräsident muss Vorbild sein, zu allererst im Denken und im Reden. Er muss Vorbild sein, indem er uns vorlebt, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Auch in seinen privaten Beziehungen und Angelegenheiten.
Wir sind längst eine Gesellschaft geworden, in der es die unterschiedlichsten Modelle zum Leben und Lieben gibt. Das macht eine freiheitliche Gesellschaft aus, dass niemand mehr dem anderen vorschreiben kann, wen er zu lieben hat.
Viel wichtiger ist es, dass ich bereit bin, Verantwortung zu übernehmen - für mich selbst, für meinen Partner oder meine Partnerin und für die Kinder, wenn es denn welche gibt. Diese liebende Verantwortung kann ich in einer guten Ehe führen, genauso wie in anderen Lebenspartnerschaften und Beziehungen. Auch in diesem Bereich ist unsere Gesellschaft bunt und vielfältig geworden. Gott sei Dank! Denn Gott selber hat seine Schöpfung bunt und vielfältig gestaltet. Und es ist wichtig, dass auch für eine offene und freiheitliche Gesellschaft unser Bundespräsident ein Vorbild ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12633
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