SWR3 Gedanken

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Irgendwie passen die knallig blauen Turnschuhe nicht zu dem cremefarbenen Rock und den grauen Haaren, die der Wind ein wenig zerzaust hat. Elke steht mit ihrem Mann Lothar auf einem Bootssteg an einem See irgendwo in Litauen. Hinter ihnen der Wohnwagen, mit dem die beiden unterwegs sind. Es ist ihre wohl letzte große Reise, denn Elke ist schwer krank. Obwohl man ihr das auf den ersten Blick nicht direkt ansieht. Sie leidet an einer besonders schweren Form von Demenz. Sie kann nicht mehr sprechen und lebt irgendwie in ihrer eigenen Welt. Längst hat sie die einfachsten Dinge vergessen: wie man kocht, wie man strickt, wie man sich anzieht. Und sie hat vergessen, dass sie einen Mann hat, drei Kinder, sechs Enkelkinder. Mit dem Wohnwagen sind sie früher viel unterwegs gewesen und haben viel von der Welt gesehen. Noch einmal soll es so sein und sie machen sich auf den Weg nach Litauen, Lettland und Estland, quer durch Polen. Lothar will nicht einfach mit seiner Frau zuhause auf dem Sofa sitzen und Händchen halten. Er will Elke noch einmal etwas von der Welt zeigen. Auch wenn jeder Ausflug und Spaziergang unendlich anstrengend sein können. Lothar muss auf Elke aufpassen, wie auf ein kleines Kind. „Durch die Krankheit ist meine Liebe zu Elke nur noch größer geworden, sagt er. Sie braucht mich doch - und ich brauche sie. Wir gehören zusammen, auch wenn sie das nicht mehr weiß. Aber ich will es ihr jeden Tag immer wieder zeigen". Die beiden nehmen sich ganz oft in den Arm - einfach so. Elke lehnt sich gerne an Lothar an und manchmal kichert sie dabei verlegen wie eine verliebte Jugendliche. Solche Momente geben Lothar unheimlich viel Kraft.
Bald werden sie wieder nach Hause fahren. Lothar ist froh, mit Elke diese letzte Reise erlebt zu haben. Und er wird auch weiter für sie da sein. Sie in den Arm nehmen, mit ihr lachen - bis zum letzten Augenblick.

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