SWR2 Wort zum Tag

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Gestern war der Weltgebetstag der Frauen. Frauen auf der ganzen Welt haben den gleichen Gottesdienst gefeiert und dieselben Bibeltexte gehört. Frauen aus Malaysia haben ihn vorbereitet. Und sie lassen einen Propheten aus dem Alten Testament zu Wort kommen, den Propheten Habakuk. Sein Buch in der Bibel ist recht übersichtlich: Zunächst beklagt er sich bei Gott, weil Feinde über das Volk Israel herfallen. Dann begreift er, dass die Feinde noch bestraft werden. Und er versucht zum Abschluss einen Lobgesang auf Gott zu formulieren.
Manches aus diesem Buch Habakuk ist mir heute, hier in Deutschland, eher fremd, weil ich die bedrängende Situation kaum nachvollziehen kann. Die Frauen aus Malaysia haben diesen Propheten unter ihrem Motto „Steht auf für Gerechtigkeit" ausgewählt. Gerechtigkeit ist heute ein Thema, weltweit und auch bei uns. Und vor diesem Hintergrund kann ich die Worte des Propheten Habakuk ganz gut hören: „Wie lange, Herr, soll ich noch rufen und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! Aber du hilfst nicht. (...) Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung (...). (...)so wird das Recht verdreht." Da will einer Rechenschaft von Gott. Was er erlebt, passt nicht in sein Gottesbild. Er ist überzeugt: „Du, Gott, kannst der Unterdrückung nicht zusehen!"
Gott so anzugehen, ihn auch in die Verantwortung zu nehmen, das gefällt mir, obwohl ich das selber nicht mache. Ich bin viel zu brav in meinem Beten. Und wenn ich mich engagiere, wenn ich mir Sorgen um dies und jenes mache, nehme ich viel zu viel Verantwortung auf mich. Doch für ganz vieles in meiner Welt bin ich nicht verantwortlich. Ich kann die Welt nicht retten. Gott schon. Und er hat auf jeden Fall mehr Verantwortung als ich. Mag sein, dass ich ihn nicht für alles verantwortlich machen kann. Aber das, was ich ihm zu viel zuschustere, das hält er - glaube ich - aus. Und er würde auch aushalten, wenn ich mich mehr bei ihm beschweren würde, wenn ich klage und jammere, wenn ich ihn anschreie und Erklärungen fordere.
Die Frauen des Weltgebetstages fordern mich mit Habakuk auf, für „Gerechtigkeit auf zu stehen", aber nicht nur, indem ich etwas dafür tue. Ich soll auch dafür beten, darf sie von Gott einfordern.
So wie Habakuk, der mit einem Loblied auf Gott schließt. Aber mit was für einem! Es klingt fast wie eine Herausforderung und ist ein einziges ‚Trotzdem': „Zwar blüht der Feigenbaum nicht, an den Reben ist nichts zu ernten, (...) im Pferch sind keine Schafe, im Stall steht kein Rind mehr. Dennoch will ich jubeln über den Herrn und mich freuen über Gott, meinen Retter. Gott, der Herr, ist meine Kraft. Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche und lässt mich schreiten auf den Höhen."

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