SWR3 Gedanken

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In Tübingen hat vor einigen Wochen das erste Zentrum für Islamische Theologie eröffnet. Jetzt müssen muslimische Studenten nicht mehr in der Türkei, in Marokko oder Saudi-Arabien studieren. Sie können ihre Ausbildung zum Imam direkt in Deutschland machen. Ein Imam ist ein Vorbeter und Lehrer in der Moschee.
Gut oder schlecht? Ich persönlich finde es eine gute Sache. Ich habe vor 20 Jahren in Münster Theologie studiert und hatte damals das große Glück, dass wir einen Professor hatten, der Islamwissenschaften unterrichtet hat. Dadurch habe ich nicht nur die Bibel, sondern auch den Koran gelesen und konnte meinen Blick für den Islam weiten. Heute unterrichte ich Religion an einer Berufsschule. Es sind auch einige muslimische Schüler in meiner Klasse. Da kommt es im Unterricht vor, dass ich den Koran besser kenne und auslegen kann als sie. An Weihnachten zum Beispiel: Da habe ich von der Sure 19 im Koran erzählt. Dass dort Maria, die Mutter Jesu beschrieben wird. Wie ein Engel sie besucht und Ihr verkündet, dass sie Jesus zur Welt bringen wird. Wenn muslimische Schüler das hören, nehmen sie mich ernst und sind bereit, über ihre Religion zu diskutieren, dann entdecken christliche und muslimische Schüler plötzlich Gemeinsamkeiten. Hätte es an meiner Uni ein Zentrum für Islamische Theologie gegeben, dann wäre ich sicher mit den muslimischen Studenten ins Gespräch gekommen. Vielleicht hätten wir einiges kontrovers diskutiert, aber auf jeden Fall hätten wir mehr über die jeweils andere Religion erfahren und Vorurteile abbauen können. Deshalb bin ich der Meinung: Ja, das neu eröffnete Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen ist eine gute Sache.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12581
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