SWR2 Wort zum Tag

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"Die Klugheit eines Menschen lässt sich aus der Sorgfalt ermessen, mit der er das Künftige bedenkt." Das wusste schon im 18. Jahrhundert der Mathematiker und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg. Ich will den Satz erweitern: Auch die Klugheit einer Gesellschaft lässt sich daran ermessen, wie sie das bedenkt, was in 10, 20, 30 Jahren sein wird. Die Klugheit gehört zu den vier so genannten Kardinaltugenden zusammen mit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Sie spielen seit der Antike in Philosophie und Theologie eine wichtige Rolle. Immer geht es dabei um die Frage, wie das Leben glücken kann, um geglückte Lebensführung, um den richtigen Lebens-Stil. Dabei fällt mir auf, dass heute die Tugend der Klugheit oft damit gleichgesetzt wird, wie schlau sich jemand verhält, wie geschickt, gewand, gerissen jemand seinen eigenen Vorteil herausschlagen kann. Wenn aber große christliche Denker wie Ambrosius von Mailand im 4. Jahrhundert oder Josef Pieper im 20. Jahrhundert über die Kardinaltugenden sprachen, hatten sie immer auch die Gemeinschaft im Blick. Und dieser Gemeinschaftsaspekt muss heute weiter gefasst werden als noch vor einigen Jahren. Die Welt ist zusammengewachsen zu einem globalen Dorf. Was kluges Handeln ist, muss sich in einer Welt-Gemeinschaft beweisen. So ist es zum Beispiel klug, schonend mit den knappen Ressourcen umzugehen: Mit Wasser, Energie und der Umwelt. Jedem Einzelnen tut das gut, weil wir dadurch den Blick schärfen für wesentliche Dinge, die im Konsum untergehen können. Es ist aber auch ein Gebot der weltweiten Solidarität. Wir dürfen nicht die beschränkten Güter verprassen, die damit anderen vorenthalten werden. Wir dürfen nicht die Grundlagen kaputt zu machen, die alle brauchen um ein lebenswertes Leben zu haben. So war es zum Beispiel klug, sich für den Ausstieg aus der Atomenergie zu entscheiden - auch wenn diese Entscheidung wohl zum großen Teil aus politischem Kalkül heraus getroffen wurde. Es ist klug sich gegen den kurzfristigen Energiehunger zu entscheiden und gegen das große Risiko, dass man eingeht, wenn man Kernkraftwerke betreibt. Von der zukünftigen Belastung durch atomaren Müll ganz zu schweigen. Noch viele Beispiele lassen sich finden für kluges Handeln und kluge Entscheidungen. Und es ist sogar geboten, sich auf die Suche zu machen nach solchen Beispielen. Klugheit ist kein Wert an sich, aber sie ist der Schlüssel zu den anderen Kardinaltugenden und der Schlüssel zu einem gelingenden Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12546
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