SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Geduld ist eine Tugend", oder „Er hat aus der Not eine Tugend gemacht". In Sprichwörtern und Redewendungen kommt das Wort Tugend manchmal noch vor. Sonst kommt uns die Rede von Tugenden, tugendhaftem Leben und Handeln, heute nicht mehr so leicht von den Lippen. Das klingt ziemlich angestaubt.
Aber wie das oft so ist: Unter dem Staub verbirgt sich Spannendes, sogar Faszinierendes. Es lohnt sich, von der traditionellen Tugendlehre ein wenig den Staub herunter zu pusten. Zum Beispiel von den so genannten Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Dieser Vierklang stammt ursprünglich aus der griechischen Philosophie, spielte dann aber in der Geschichte der christlichen Lehre eine sehr wichtige Rolle. Die Kardinaltugenden erzählen davon, wie das Leben glücken kann. Sie beschreiben eine geglückte Lebensführung - man spricht heute oft auch vom Lebens-Stil. Die Klugheit wird zuerst genannt. Klugheit ist nötig, um unterscheiden zu können. Eine Kunst, die dauernd gebraucht wird. Ich möchte schließlich unterscheiden können zwischen Schein und Sein, will hinter die Kulissen sehen, statt mich mit dem Vordergründigen zu begnügen. Nur dann kann ich kluge Entscheidungen treffen. Konkret: Wenn ich bedenke, was alles auf mich einstürmt jeden Tag an Werbung, Information, Meinung, dann brauche ich die Tugend der Klugheit um das Wichtige und Relevante vom Unwichtigen zu trennen. Werbung versucht mir einzureden, was ich alles brauche, um glücklich zu sein, dabei kann ich das nur selbst wissen. Information ist durch die Medien und im Internet im Überfluss vorhanden. Aber wie unterscheide ich das Wichtige vom Unwichtigen? Meinungen höre und lese ich viele und sie beeinflussen mich darin, wie ich denke und handle. Um mich klug zu entscheiden, muss ich aber auch die Interessen erkennen, die hinter den Meinungen stecken. Schließlich darf ich als Christ darauf vertrauen, dass ich die Klugheit nicht nur selbst suchen muss, sondern dass ich auch darum bitten darf. Ich habe die Klugheit nicht gepachtet, die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Deswegen bitte ich Gott darum, mir möglichst viel davon zu schenken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12545
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