SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

29MRZ2012
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Wie kommt es eigentlich, dass Familientraditionen oft über Generationen weitergegeben werden? Da gibt es Familien, in denen hatten schon Großvater und Urgroßvater denselben Beruf. Oder da werden musische Begabungen immer wieder an die nächste Generation vererbt. Klar, wir wissen heute, dass vieles davon genetisch bedingt ist. Aber auch Erziehung und Prägung spielen eine Rolle. Und wie ist das dann mit der Religiosität?
„Halte meinen Bund, du und deine Nachkommen," fordert Gott von Abraham. Geht das denn? Können wir eine solche Forderung überhaupt erfüllen? Oder gibt's vielleicht ein Gen für Frömmigkeit? Das scheint mir doch irgendwie höchst unwahrscheinlich! Der chinesische Christ Bruder Yun lebt seit dem Jahr 2001 in Deutschland. Bei einem seiner Vorträge habe ich in Mainz erlebt, wie er von den Jahren der Verfolgung in China erzählte. Von seiner Verhaftung und den Folterungen im Gefängnis. Er verriet keinem seinen wirklichen Namen, nannte sich nur „Mann des Himmels". Weil er sein Heimatdorf und seine Familie nicht in die Verfolgung mit hineinziehen wollte. Einer der keine Verwandte hat, sondern nur Gott als himmlischen Vater. Vielleicht hat ihm die Einschätzung als harmloser Verrückter sogar das Leben gerettet. Interessant war auch, was Yun über die westliche Gesellschaft erzählte. Über die Christen in Deutschland. Er sei schon in vielen christlichen Familien hier zu Gast gewesen, erzählte er. Und es falle ihm auf, wie selten es Eltern gelinge, den Glauben an ihre Kinder weiterzugeben. Das sei in China anders. Eine Tochter oder ein Sohn, der erlebt, wie die eigenen Eltern für ihren Glauben ins Gefängnis gehen - der habe Hochachtung vor dem Glauben der Eltern. Ja, meinte der himmlische Mann: Für uns ist es leichter den Glauben an die nächste Generation weiterzugeben als für euch. Die Zuhörer wurden ziemlich nachdenklich bei diesen Worten. Ich auch. Und bei den Worten Gottes an Abraham muss ich wieder an Bruder Yun denken: „Halte meinen Bund, du und deine Nachkommen." Aber ich bin auch sicher, Glaube ist ein Geschenk. Etwas, das man weder erwarten, noch selbst bewirken kann. Gnade, lautet das wunderbare alte Wort dafür. Und die gibt's überall auf der Welt nur geschenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12523
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