SWR2 Wort zum Tag

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Seit Wochen wird im Frankfurter Flughafen demonstriert. Mittlerweile treffen sich dort jeweils mehrere tausend Menschen. Ich kann die Demonstranten verstehen. Auch über unseren Ort ziehen die Flieger ihre Kreise. Die Lärmbelastung hat durch die neue Landebahn zugenommen. Und der Eindruck wird immer stärker: Der Flughafen ist eine Geldmaschine, und da scheinen die Bürger wenig zu zählen.
Ich bin aber auch schon geflogen. Selten zwar - aber halt doch. Und es liegt auf der Hand: Wenn alle weniger fliegen, dann gibt es auch weniger Flüge und weniger Probleme mit den Lärm. Und wenn wir weniger exotische Früchte kaufen, dann müssen auch weniger Frachtflugzeuge fliegen. Und auch aus ökologischen Gründen tut weniger Luftverkehr gut. Und trotzdem kann unsere globale Gesellschaft nicht auf Flugzeuge verzichten. Aber wie kann es einen Ausgleich der Interessen geben? Die Demonstranten in Frankfurt fordern: Weniger Flugbewegungen, Nachflugverbot und die gerade eröffnete Landebahn soll wieder geschlossen werden. Nachflugverbot, ok. Diskussionen über die Zahl der Flugbewegung, ok. Aber die Landebahn zu schließen, das halte ich für eine überzogene Forderung. Schließlich ist die gerade erst gebaut worden. Und es gab eine Mehrheit für diesen Bau. Mit Maximalforderungen ist niemandem geholfen. Meine Frau ist da völlig anderer Meinung. Wenn man nur realistisch ist, sagt sie, erreicht man gar nichts. Kompromisse kann's nur geben, wenn man viel fordert und dann eben etwas vom Geforderten auch bekommt. Wer nur das Realistische im Blick hat, wird schnell über den Tisch gezogen. Ich bin unsicher. Und auch mein Glaube ist mir keine Hilfe. In der Bibel gibt es beides. Es gibt die Realisten, die darauf sehen, was möglich ist. Die Beter der Psalmen zum Beispiel. Nirgendwo fordern die: Gott, mach mich reich, schön und glücklich. Sie beten eher: rette mich, steh mir bei, zeige dich. Und dann gibt es aber auch die Maximalisten. Jesus zum Beispiel: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein. Da gibt es wenig Platz für Kompromisse. Was ich aus der Bibel herausfiltern kann: Streit um das Richtige gehört zum Menschen dazu. Und vielleicht ist das die wahre Kunst des Mensch-seins: Diesen Streit zu führen, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und nach Lösungen zu suchen. Manchmal muss das kompromisslos sein, manchmal aber ist die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner genau das Richtige.

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