SWR2 Wort zum Tag

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Richtiges erkennen und Richtiges tun sind zwei Paar Stiefel. Da werde ich kritisiert und weiß, dass es am besten ist, sachlich darauf zu reagieren. Aber ich bin beleidigt. Da streiten sich die Kinder massiv miteinander und ich weiß: Am besten ist jetzt, die Ruhe zu bewahren. Aber ich fange auch an zu schreien. Etwas Wollen aber nicht Können, das gibt es in allen Lebensbereichen. Und es gehört wohl zum Menschen dazu. Selbst in der Bibel findet sich das. Hier schreibt Paulus: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will." (Röm 7,19) Im Kern geht es um eingefahrene Handlungs- und Verhaltensmuster. Ich scheine bestimmte Dinge automatisch zu tun, auch wenn ich eigentlich anders handeln will. Dann stehe ich ohnmächtig vor mir selbst. Ich wiege zu viel, und weiß das. Und eigentlich wäre die Strategie einfach: Obst statt Schokolade. Ein Freund hat mich gekränkt und gedemütigt. Und ich schaffe es nicht, mit ihm ein Gespräch zu führen, das eigentlich ansteht. Psychologen erklären das so: Menschen verhalten sich anders, als sie wollen, weil es gut funktioniert. Die Tat, die ich eigentlich nicht will, erfüllt immer einen wichtigen Zweck. Und dieser Zweck ist so wichtig, dass ich dafür unbewusst die unangenehmen Konsequenzen in Kauf nehme. Wenn ich beleidigt bin, dann kann ich mich im Recht fühlen. Wenn ich schreie, dann kann ich meine Macht ausspielen und mich gut fühlen. Wenn ich Schokolade statt Obst esse, dann habe ich einen süßen Geschmack im Mund, das ganze Leben schmeckt süß. Aber es gibt auch die negative Seite. Beleidigt sein lähmt mich, weil ich ständig daran denken muss, schreien kann die Beziehung zu den Kindern zerstören, Schokolade sorgt beim Blick auf die Waage für Frust. Der Weg aus dieser Falle? Zuerst einmal sich eingestehen, dass in mir ganz verschiedene Antriebe da sind. Dass ich vieles will - und dabei mein Kopf, mein Herz und meine Seele mitspielen. „Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will", schreibt der Apostel Paulus. Für ihn ist klar: Es kommt nicht nur darauf an, was ich will. Ich muss auch erkennen, dass meine Kraft Grenzen hat. Und ich muss, darf barmherzig sein mit mir. Und erlebe vielleicht, dass ich dann sogar ein bisschen freier werde, das zu tun, was ich wirklich will.

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