SWR3 Gedanken

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„Die schönste Jury Deutschlands sucht das perfekte Model." Zwei junge Damen lächeln mich mit diesem Satz jeden Morgen an, wenn ich zur Bushaltestelle komme. Bunte Werbung für eine neue Castingshow im Fernsehen. Ich muss unwillkürlich an das Märchen von Schneewittchen denken. Wer ist die Schönste im ganzen Land, fragt da die Königin beim Blick in ihren Zauberspiegel. Was sie dann hört ist bekanntlich die immer gleiche Antwort: „Schneewittchen hinter den Bergen bei den sieben Zwergen, ist noch tausendmal schöner als du." Aus dem Zauberspiegel im Märchen ist der Flachbildfernseher im Wohnzimmer geworden. Und wer hineinschaut, bekommt ungefragt zumeist dieselbe Antwort. All diese schönen Menschen sind eigentlich tausendmal schöner als du. Wie willst du da mithalten?

Was Schönheit ist, bestimmen heute Castingshows und Hochglanzmagazine. Wer sich daran orientiert, der hat es schwer. Denn die Natur hält sich in der Regel nicht ans Hochglanzideal. Gut, dass auch Schönheitsideale abhängig sind von Zeit und Kultur, und zudem noch völlig subjektiv. Keiner zwingt mich, etwas schön zu finden, nur weil es die angeblich schönste Jury Deutschlands so sagt. Schön ist immer das, was ich als schön empfinde. Zum Beispiel jene Menschen, die ich liebe. Ein geliebter Mensch, der ist schön, egal was andere von ihm denken. Und wer geliebt wird, der weiß auch, dass er schön ist. Ganz ohne Spiegel und schon gar ohne Fernsehschirm. Er kann es sehen. In den Augen des andern.

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