Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was wünschen Sie sich für ihr Kind? In der Zeitung hab ich dazu eine Umfrage gelesen. Eine Aussage hat mich sehr nachdenklich gemacht: „Unser Kind soll im Leben nie auf etwas verzichten müssen".
Für diesen Wunsch kann es verständliche Gründe geben. Vielleicht haben die Eltern als Kind selbst darunter gelitten, dass sie auf Dinge verzichten mussten. Auf Dinge, die anderen Kindern möglich waren: Ein schickes Fahrrad vielleicht oder ein Sommerurlaub.
Ich glaube aber, dass man seinem Kind diese Erfahrung nicht ersparen kann. Es ist ein ganz ursprüngliches Gefühl, das man als kleines Kind schon kennt: Ausgerechnet der Bagger, mit dem man im Sand buddeln möchte - mit dem spielt schon ein anderes Kind. Oder: Im Kindergarten gibt es Eis. Aber nicht für alle reicht das Schokoladeneis.

Für ein Kind bricht eine kleine Welt zusammen, wenn es nicht bekommt, was es will. Es muss erst lernen, dass Verzichten zum Leben dazugehört. Wenn es das jedoch nicht lernt, weil seine Eltern ihm vielleicht einen zweiten Bagger und nach dem Kindergarten noch ein Schokoladeneis kaufen, könnte es irgendwann einmal schwierig werden: Denn irgendwann erlebt das Kind doch, dass man verzichten muss. Auf Liebe, zum Beispiel: Der, den ich liebe, liebt mich nicht. Liebt vielleicht eine andere. Wie verkraftet man so eine Situation, wenn man nie gelernt hat, dass man nicht alles haben kann?
Ich glaube, man tut seinem Kind nichts Gutes, wenn man ihm alles ermöglicht und ihm damit ein kleines Paradies einrichtet, mitten in der Welt. Dass so das Leben nicht funktioniert, kann man schon aus der Paradiesgeschichte in der Bibel lernen. Freilich, dort fehlt es an nichts, die Bäume tragen Früchte von jeder Sorte. Doch eine Einschränkung macht Gott schon im Paradiesgarten: Auf die Früchte eines einzigen Baumes sollen Adam und Eva verzichten.
Die Frucht verspricht zwar Großes: Sein wie Gott. Das hört sich verlockend an. Nach Macht und Größe. Danach, alle Optionen der Welt zu haben. Doch: Tut es den Menschen gut, wenn ihnen alle Möglichkeiten offen stehen?
Nein, das glaube ich nicht. Ich tappe auch immer wieder in diese Falle: Dass ich mir alle Optionen offen halte. Für den Kinoabend mit der besten Freundin, die Party bei den Kollegen und dem Grillabend mit den Nachbarn. „...vielleicht komm ich später noch vorbei". Und am Abend bin ich völlig genervt, weil ich mich für nichts richtig entschieden habe. Ganz anders sind die Abende, bei denen ich mich von vorn herein beschränke. Dann bin ich ganz dabei und weiß zum Schluss: Auf etwas verzichten können, das ist Lebensgewinn.

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