SWR2 Wort zum Tag

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Man kann ganz gut leben in Schonhaltung. Aber halt nur ganz gut. Zum guten Leben fehlt immer ein gutes Stück, wenn man sich in Schonhaltung eingerichtet hat, finde ich.
Jakob ist in der Bibel so ein Mensch, der lange mit seiner Schonhaltung ganz gut lebt. Er lebt in einer Art sozialer Schonhaltung. Jakob weicht nicht körperlichen Schmerzen aus, - daran denken wir ja in der Regel zuerst, wenn von Schonhaltung die Rede ist. Jakob vermeidet Schmerzen, die sein Gewissen ihm macht. Eine besonders weit verbreitete Art von Schonhaltung, glaube ich, auch heute. Jakob hat sich für ein Leben in Schonhaltung entschieden, um der schmerzlichen Konfrontation mit seinem Gewissen auszuweichen.
Es ist dazu gekommen, weil Jakob seinen Bruder um das Erbe betrogen hat. Danach setzt er sich ins Ausland ab. Er will einer Konfrontation mit seinem Bruder aus dem Weg gehen.
Es geht ihm ganz gut dabei. Er hat Erfolg. Bis ihm aufgeht, wie groß der Abstand zwischen „ganz gut" und „richtig gut" ist.
In Jakob reift die Erkenntnis:
Es geht nicht mehr weiter in der sozialen Schonhaltung. Ich muss zurück, ich muss mich meiner Vergangenheit stellen. Meinen Bruder wieder sehen und ihn um Entschuldigung bitten. Jakob spürt, gut werden kann es nur, wenn er sein Gewissen nicht mehr überhört. Aber der Schritt macht ihm große Angst: Ob sein Bruder ihm verzeihen wird, ist ungewiss.
In der Nacht, bevor die beiden Brüder aufeinander treffen - erzählt die Bibel - muss Jakob darum noch einmal sehr kämpfen. Mit wem genau er kämpft, das lässt die Bibel im Ungewissen: Jedenfalls, der Gegner erweist sich als stark: Ein Engel, sein Gewissen, mit dem er ringt, und in all dem auch Gott?
Klar ist vor allem aber: Jakob schont sich nicht mehr. Er weicht nicht aus und besteht. Und weil Jakob sich stellt, fließt ihm neue Kraft zu. Dass er seine Schonhaltung verlassen will, wird ihm zum Segen. Das ist das Versprechen dieser Geschichte. Wenn man es schafft, seine Schonhaltung zu überwinden. Dann kann aus einem ganz guten Leben ein richtig gutes werden.
Jakob ist nach dieser Nacht in der Lage, seinem Bruder zu begegnen. Er will zu Recht bringen, was er falsch gemacht hat. Er ist bereit, die Wahrheit und die Aussprache nicht mehr zu umgehen. Er ist bereit auch zu seiner Schuld zu stehen. Bereit um Vergebung zu bitten.
Ich frage: Gibt es das bei Ihnen auch und bei mir? Ein ruhig gestelltes Gewissen, dem wir uns stellen sollten.
Zumal die Geschichte verspricht: Jenseits eines Lebens, das „ganz gut" ist, liegt womöglich ein besseres.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12464
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