SWR2 Wort zum Tag

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Man kann sich körperlich und seelisch überanstrengen und dadurch krank werden. Es gibt aber auch das Gegenteil. Leben in Schonhaltung. Auch das kann krank machen, wenn man sich darin einrichtet. Vielleicht kennen Sie das auch: Rückenschmerzen. Die Versuchung ist groß. Mich nur ein wenig hängen lassen oder schief halten, dann komme ich um den Schmerz herum. Aber die Ursache des Schmerzes wird so nicht geheilt und die Schonhaltung verfestigt die Krankheit.
Ein besonders krasses Beispiel von Leben in Schonhaltung erzählt Johannes im Neuen Testament. Er erzählt von einem Mann, der seit über 30 Jahren krank ist. In all den Jahren hat sie immer mehr von ihm Besitz ergriffen. War er zu Anfang vielleicht körperlich eingeschränkt, ist seine Krankheit ihm in all den Jahren zur zweiten Natur geworden: Sie bestimmt sein Denken, seine Seele und seine soziale Existenz: Er hat sonst nichts und niemand mehr.
Nichts bewegt sich mehr in seinem Leben, er ist in sich erstarrt. Dass sich noch einmal etwas bewegen könnte in seinem Leben, dass er gar noch einmal gesund werden könnte, das kann er nicht mehr hoffen.
Das wird deutlich, als Jesus vorbeikommt und ihn anspricht: „Willst Du gesund werden" fragt er ihn ganz direkt. „Ja" kann der Kranke nicht mehr sagen. Stattdessen erklärt er ausführlich warum alles nicht mehr geht.
Kann man das einem Menschen verdenken? Wenn er sich so in ein verkürztes Leben ergibt. Wo soll da eine Schonhaltung sein, fragen Sie vielleicht. Der Mann ist doch krank!
Die Art und Weise wie die biblische Geschichte weiter geht, provoziert aber doch die Frage nach der Schonhaltung, finde ich. Johannes erzählt, dass Jesus nicht einstimmt in sein „Nichts geht mehr". Stattdessen fordert er den Kranken heraus: „Nimm Dein Bett und geh." Und der Kranke kann sich bewegen.
Es könnte also vielleicht doch Schonhaltung sein, wenn man sich auf Dauer einrichtet in ein zu kurz gekommenes Leben. Und gar keine Bewegung mehr für möglich hält.
Die Geschichte provoziert. Aber vielleicht zu recht. Damit ich mich nicht schleichend in ein Leben ergebe, in dem mein Leben zu klein wird, zu ärmlich, zu einsam, zu unwahr.
Sie provoziert zu denken: Es ist noch was möglich. Wenn vielleicht nicht körperlich, dann geistig. Und wenn nicht geistig, dann vielleicht seelisch. Sie provoziert, damit der Glaube in mir nicht einschläft, dass mein Leben wieder in Bewegung kommen könnte. Sie ermutigt zu glauben: „Gottes Möglichkeiten mit Ihnen und mir sind nie zu Ende".

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