SWR3 Gedanken

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„Wenn ich groß bin, dann heirate ich dich", sagt der kleine Finn und strahlt seine Mutter an. Die unterhält sich gerade mit ihren Freundinnen. Es geht um die Beziehung zu den eigenen Eltern. Ein schwieriges Thema. „Ich bin eine richtige Vatertochter!" lacht da die eine. Eine andere erzählt: „Wenn ich zu meinen Eltern fahre, dann habe ich immer das erdrückende Gefühl, wieder zum Kind zu werden."
„Mama", sagt der kleine Finn und zieht an ihrem Schal: „Ich will dich mal heiraten!"
Eine Frau steht etwas abseits und mischt sich brüsk ein: „Ich habe den Kontakt zu meiner Mutter komplett abgebrochen; das ging so nicht weiter."
„Ein Mann wird seinen Vater und seine Mutter verlassen" heißt es in der Bibel, „um mit seiner Frau zusammen zu sein" (1. Mose 2,24). Diese Lebensweisheit trifft auf alle Erwachsenen zu; sei es nun ein Paar, das beschließt, von nun an das Leben gemeinsam zu gehen, sei es jemand, der in einer Gemeinschaft oder allein lebt.
Das ist schmerzlich für alle Seiten. Es wäre so schön, wenn immer alles harmonisch bliebe. Aber ist das wirklich erstrebenswert? Wenn Finn tatsächlich als erwachsener Mann am liebsten seine Mutter und nicht eine Frau seiner Wahl heiraten wollte?
Es gibt da einen Zeitpunkt im Leben, an dem sich die Eltern-Kind-Beziehung weiterentwickelt. Eltern werden als Gegenüber wahrgenommen, nicht mehr als jemand, zu dem man aufschauen, an dem man sich ausrichten, dem man gehorchen muss.
Mutter und Vater sind eigenständige Personen mit einer eigenen Geschichte; die ihre Gründe hatten, so zu handeln, so zu erziehen; Menschen mit Stärken und mit Schwächen. Wenn man so weit ist, kann man die Vergangenheit loslassen und gelöst seinen eigenen Lebensweg unbeschwert weitergehen.

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