SWR3 Gedanken

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Es ist doch immer dasselbe. Es ist früh am Morgen. Ich mache mir einen Kaffee oder Tee, bin vielleicht auch noch in Eile, will einen Löffel Zucker rein tun und - das Zuckerglas ist leer. Ein staubiger Rest gähnt mich an. Nachfülldose - auch leer. Warum eigentlich immer ich? Warum geht der Zucker immer bei mir zur Neige und warum bin ich immer derjenige, der ihn nachfüllt? Als ich das mal so ganz beiläufig meine Frau gefragt habe, hat sie mir was ganz Erstaunliches geantwortet: Ihr geht es genauso, sie denkt auch immer, dass sie es ist, die den Zucker nachfüllt. Das ist doch interessant. Die Tatsache, dass es uns beiden so geht, zeigt doch, dass es so einfach nicht sein kann mit der Zuckerdose. Oder vielleicht auch, dass in einem Haushalt, der zeitweilig fünf Personen umfasst immer die Eltern es sind, die den Clan mit Zucker versorgen. Interessant ist aber auch meine Wahrnehmung: dieses „immer ich" zeigt doch auch, dass ich die unzähligen Male, die ich auf eine gefüllte Zuckerdose treffe, nicht wahrnehme. Oder für selbstverständlich halte. Und dieses „immer ich" ist auch ein Ausdruck dafür, dass ich mich allein in die Rolle des fürsorglichen Zuckerversorgers gezwängt sehe, was ja auch nicht stimmt. Was also lehrt mich diese Zuckerarie? Dass die Welt nicht immer so ist, wie ich sie zu sehen meine. Dass ich meine Blicke mehr auf das richten sollte, was da ist und nicht auf das, was fehlt. Und vor allem: Dass immer, aber auch immer eine Packung im Vorratsschrank steht, die übrigens immer meine Frau eingekauft hat - und das ist sicher.

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