SWR2 Wort zum Tag

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„Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. [...] Und dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei." In diesen Sätzen, mit denen der erste Johannesbrief beginnt, sind gleich mehrere Aussagen verborgen, die voller Sprengkraft sind.
„Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt." Johannes hat durch frühere Zeugen vom Evangelium Jesu Christi gehört und will seine konkrete Erfahrung damit weitersagen. Es geht ihm darum, dass andere Beziehung zu ihm aufnehmen, dass sie Erfahrungen miteinander teilen und Gemeinschaft aufbauen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Wir denken heute bei den Stichworten Verkündigung und Mission, dass da Menschen belehrt, ermahnt und auf den rechten Weg gebracht werden sollen. Johannes zielt auf Beziehungen, die Leben und Freude vermehren.
„Und dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei." Es geht um die Freude! Das ist eine merkwürdige Begründung für das Schreiben eines kirchlichen Mitarbeiters. Freude hat etwas an sich, was Ordnungen durcheinander bringt und Grenzen überschreitet. Freude reimt sich schlecht auf Regeln und Pflichten. In der Freude zeigt sich die fröhliche Verschiedenheit von Menschen.
Der Briefschreiber Johannes geht noch weiter: Er will vollkommene Freude. Johannes hat schon große Freude erfahren, als er vom Leben und Sterben und von der Auferstehung des Jesus von Nazareth hörte und als er gesehen hat, wie andere aus diesem Evangelium Leben schöpften. Aber diese Entdeckung allein genügt ihm nicht! Das Höchste ist für ihn, sie mit anderen zu teilen! Ganz so wie in den Gleichnissen Jesu. Die Frau, die ihre Drachme gefunden hat, läuft zu ihren Nachbarn, damit die sich mit ihr freuen. Der Vater, der seinen Sohn wieder findet, feiert ein Freudenfest, und fragt nicht, ob das angemessen ist nach dem verantwortungslosen Leben seines Sohnes. Es scheint zum Wesen der Freude zu gehören, dass sie nicht maßvoll bleiben und Rücksicht nehmen kann.
Es ist „unsere" Freude, die das verlangt! Noch einmal überrascht der Schreiber des Johannesbriefs: Es geht ihm nicht darum, dass seine Verkündigung zur Freude der anderen beiträgt, etwa weil sie nun wissen, wie sie besser und glücklicher leben können. Er will nur seiner eigenen Freude gehorchen, die nach Mitteilung verlangt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12380
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