SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn ich mit meinem Auto losfahren will, erinnert ein Signalton daran, mich zuerst anzuschnallen, und das ziemlich unangenehme Geräusch hört erst auf, wenn der Sicherheitsgurt eingeklickt ist. Seither fahre ich immer angeschnallt. Mir kommen da ganz eigenartige Gedanken in den Sinn. Wäre diese Art von Erziehung nicht auch praktisch für andere Bereiche des Lebens, wo man aus Bequemlichkeit oft nicht so handelt, wie es gut und vernünftig wäre? Wenn man sich zuwenig bewegt, beginnen die Schuhsohlen unangenehm zu vibrieren und wenn man mit dem Ehepartner oder den Kindern im Verlauf eines Tages noch nicht genug geredet hat, schalten sich automatisch alle Radio, Fernseher und sonstige Medien aus...
Auch wenn solche Maßnahmen vielleicht helfen könnten, manche Fehlentwicklung rechtzeitig zu stoppen, ist mir schon die Vorstellung schrecklich, so gegängelt zu werden. Ich bin froh, dass ich in all diesen Bereichen selbst über mein Verhalten entscheiden kann. Und doch braucht es so etwas wie einen inneren Kompass, der mir anzeigt, wie ich mich gut und richtig verhalten kann - zum Wohl meiner Mitmenschen und zu meinem eigenen Wohl. Diesen Kompass nennen wir GEWISSEN, also jene innere Stimme, die uns dazu anstiftet, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Der griechische Philosph Sokrates sah daher im Gewissen eine „innere göttliche Stimme". Diesen Gedanken griffen die christlichen Theologen auf, denen der Mensch als „Ebenbild Gottes" gilt. Deshalb trägt er in sich die Anlage, das Gute zu erkennen und zu wollen. 
In ethischen Normen - etwa in den 10 Geboten -  finden wir so etwas wie einen äußeren Rahmen, wie wir uns verhalten sollen. Aber erst das Gewissen hilft mir, in der persönlichen und konkreten Situation zu erkennen, was gut und richtig ist. Natürlich muss sich ein Gewissen entwickeln, wir brauchen eine entsprechende Erziehung und Werte, an denen wir uns ausrichten können, und oft muss ich um die richtige Entscheidung auch ringen. Gut und richtig zu handeln kann nie ein Automatismus sein, immer sind wir als Person gefragt. Und - was besonders wichtig ist - das Gewissen zwingt ein bestimmtes Verhalten nicht auf, sondern es lässt mir die Freiheit, mich für mein Tun oder Lassen zu entscheiden. Mein Gewissen kann so zu einem inneren Gesprächspartner werden - wenn ich bereit bin, in mich hineinzuhören: Was ist wirklich wichtig im Leben? Und was bin ich bereit, dafür zu tun? Darauf gibt es nicht immer gleich eine passende Antwort - und schon gar keinen nervigen Störton wie bei meinem Auto. Das Gewissen ist eher ein einfühlsamer Begleiter, der mir hilft, mein Leben in eine gute Richtung zu bringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12350
weiterlesen...