SWR2 Wort zum Tag

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„Das ist genau das, was ich will: kein Mitleid!" Philippe sagt das in dem französischen Film „Ziemlich beste Freunde", der seit zwei Wochen auch bei uns läuft. Philippe ist ein reicher Aristokrat und seit einem Unfall vom Hals ab gelähmt. Er hat den farbigen Sozialhilfeempfänger Driss als seinen Betreuer eingestellt. Der kommt gerade aus dem Gefängnis und hat sich nur um die Stelle beworben, um eine Abfuhr zu kassieren - drei Ablehnungen braucht er fürs Arbeitsamt. Dem gelähmten Philippe gehen die edlen Motive der andern Bewerber auf die Nerven. Deshalb wählt er Driss, damit der ihn pflegt, wäscht, füttert, begleitet und nachts im Nebenzimmer auf Abruf ist. Driss zeigt tatsächlich keinerlei Mitleid. Er schont Philippe nicht sonderlich, widerspricht ihm, konfrontiert ihn, definiert ihn nicht über seine Behinderung. Er hilft Philippe gekonnt und phantasievoll. Dabei traut er ihm eine Menge zu und mutet ihm einiges zu. Als Philippe nachts Angst und Atembeschwerden hat, beruhigt er ihn zunächst und fährt dann mitten in der Nacht mit ihm im Rollstuhl durch die Straßen von Paris. Er weigert sich, ihn in einem behäbigen Spezialfahrzeug von A nach B zu transportieren. Stattdessen nehmen sie den schicken Maserati, der noch von vor dem Unfall unter einer Plane steht, und düsen damit durch Paris. Driss zeigt sich unbekümmert in seiner ganzen Vitalität. Das wirkt überraschenderweise nicht herzlos, auch nicht, als sie bei einem Konzert sind und Driss sprühend vor Temperament tanzt. Was Philippe offenbar gut tut: er fühlt sich nicht als der Betreute, und er hat nicht das Gefühl, dass der andere dauernd auf ihn Rücksicht nimmt, sich Freuden versagt, nur um ihm nicht wehzutun.
Es funktioniert übrigens auch umgekehrt. Philippe behandelt seinen Betreuer mit Respekt. Driss, der aus untersten sozialen Verhältnissen kommt, kommt sich nicht klein vor in diesem reichen Haus und in der Rolle des Angestellten. Da ist nicht der Neid des Armen auf den Reichen und nicht der Neid des Gesunden auf den Kranken. Da sind zwei Männer, die zusammen in einer ungewöhnlichen Situation leben. Der Film verklärt nicht, was es bedeutet, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein oder einen hilfebedürftigen Menschen zu unterstützen. Aber er zeigt an einem - zugegeben besonderen - Beispiel eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und er beruht auf einer wahren Begebenheit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12338
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