SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Meine Konfirmanden waren von ihr beeindruckt. Ich habe sie gern zu ihr geschickt. Sie war 34 Jahre lang die Kirchendienerin der Gemeinde. Sie war schon über 70 Jahre alt, aber immer noch rüstig. Für den Sonntagsgottesdienst hat sie alles gerichtet. Liednummern aufgesteckt, für den Blumenschmuck gesorgt, Gesangbücher ausgelegt und die Kerzen entzündet.
Meine Konfirmanden habe ich gern zu ihr geschickt. Die sollten den Gottesdienst kennen lernen und den Glauben und das Leben der Gemeinde. Dabei haben sie auch die Kirchendienerin besucht und befragt.
Zwei Fragen habe ich ihnen damals mitgegeben: „Was machen sie als Kirchendienerin in unserer Gemeinde? Und warum machen sie das?"
Sie hat ihnen gern erzählt, wie sie dafür sorgt, dass für den Gottesdienst alles geschmückt wird, damit man sich in der Kirche wohl fühlt und gern feiert.
Aber warum sie das macht? Da musste sie etwas weiter ausholen. Das hat in ihre eigene Kindheit zurückgeführt. Die war hart gewesen. Die Mutter war früh gestorben. Der Vater hatte ein zweites Mal geheiratet. Aber diese Frau hat ihr das Leben schwer gemacht. „Die war richtig böse zu mir", hat sie erzählt. „Die hat mich beschimpft und oft geschlagen. Aber wenn es ganz schlimm war, dann bin ich in unsere kleine Dorfkirche gerannt. Die war tagsüber offen. Und da hing das Bild vom Heiland - „Heiland" hat die alte Frau gesagt. So hat sie Jesus genannt. Weil er alles heil machen kann. Ein Spruch aus der Bibel stand neben dem Bild: „Alle eure Sorgen werft auf ihn. Denn er sorgt für euch." Deshalb, hat sie gesagt, habe ich ihm alles gesagt, was mich bedrückt und wovor ich Angst hatte. Das hat mir geholfen. Der Heiland hat mich gehört.
Diese Kindheitserinnerungen hatten später Folgen. Auch davon hat die alte Frau de Konfirmanden erzählt: „Viele Jahre später, ich war in einen anderen Ort gezogen, da hat der Pfarrer mich gefragt, ob ich Kirchendienerin werden will. Der alte Kirchendiener konnte die Arbeit nicht mehr erledigen. Ich habe damals dort in einer Fabrik gearbeitet. Für mich war das keine Frage. Wenn der Heiland mich braucht, dann komme ich. Er hat mir so oft geholfen, als ich noch ein junges Mädchen war."
Die Geschichte unserer Kirchendienerin hat die Konfirmanden angerührt. Viele von ihnen hat das beeindruckt. Sie haben gespürt: Die alte Kirchendienerin war geborgen beim Heiland und in seiner Gemeinde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12316
weiterlesen...