SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich erinnere mich noch genau ans Frühjahr 2003. Damals habe ich zum ersten Mal die urbadische Familie meines Freundes getroffen. Ich komme aus Ostwestfalen. Das ist wichtig für die Geschichte, denn bei diesem wirklich netten Treffen habe ich deshalb kein Wort verstanden. Und spätestens bei dem Satz „Hän´er ebbis z´schwätze gwisst?" war ich total raus. Bei diesem und ein paar weiteren Treffen konnte ich nur mit Nicken, Ja und Nein antworten, alles andere war unmöglich. Gott sei Dank hört man sich in Dialekte hinein. Inzwischen liebe ich das Badisch-alemannische und freu mich immer, wenn jemand so richtig breit schwätzt. Gerne würde ich das auch können, aber das klingt natürlich immer aufgesetzt. Und spätestens nach dem zweiten schlecht ausgesprochenen Wort werde ich gefragt: „Du kommst aber auch nicht von hier, oder?" Diese Frage hat mich anfangs gestört. Ich hab mich ertappt gefühlt. Für mich ist immer mitgeschwungen: „Du sprichst anders, also bist du keine Einheimische." Und im schlimmsten Fall: „Du gehörst nicht dazu". Und das obwohl ich den jungen Mann inzwischen geheiratet habe. Das war für mich ehrlich nicht leicht. Bis ich verstanden habe, dass Dialekte ein ganz besonderer Ausdruck von Identität sind. Natürlich hört man, woher ich komme und das ist auch gut so. Das macht mich ja aus. Ich finde Dialekte gut. Wenn sie erhalten bleiben, dann bleibt auch ein Stück Heimat und Persönlichkeit erhalten. Wenn meine Schwiegermutter mich also jetzt fragt: „Hän´er ebbis z´schwätze gwisst?", dann weiß ich erstens dass es so viel heißt wie: „Habt Ihr Gesprächsstoff gehabt?" Und zweitens muss ich nicht erst überlegen, wie ich möglichst badisch antworte, sondern ich antworte einfach, wie mir mein Schnabel gewachsen ist.

 

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