SWR3 Gedanken

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Ich hasse Fenster putzen. Mein Mann auch. Jedes Mal, wenn das bei uns ansteht, herrscht vorher drei Tage Grabesstimmung. Ganz abgesehen von den Verhandlungsversuchen, das Schicksal von sich abzuwenden...
Vor Weihnachten war es mal wieder soweit. Nach tagelangem Hin und Her war das Los auf mich gefallen und ich hatte mir lange im Voraus einen Tag für die Prozedur ausgesucht. Voller Tatendrang habe ich damit angefangen. Um dann festzustellen, dass das Ergebnis mich wirklich zufrieden gestellt hat. Nachdem die ersten Scheiben in frischem Glanz und streifenfrei erstrahlten, hat mir Fenster putzen plötzlich richtig Spaß gemacht. Egal wie dreckig oder sauber das Glas vorher war, klare saubere Fenster sehen gut aus und machen mich zufrieden. Zudem strahlt plötzlich die ganze Wohnung, weil alles viel heller wirkt. 
Das ist doch auch manchmal im Leben nicht schlecht. Meine eigenen Fenster putzen und auf Hochglanz bringen. Neues Licht herein lassen und die Helligkeit genießen. Das kann ganz konkret heißen: mal meine Bude aufräumen, die gesammelten Fotos endlich ins Album kleben, den Schreibtisch sortieren, die Steuer machen. Das alles macht mir im Vorfeld ebenso wenig Laune wie die Aussicht auf Fenster putzen. Und ich muss mir dafür lange vorher einen Termin frei halten. 
Zu meinem persönlichen Reinigungsprogramm gehört auch die eigenen Beziehungen mal wieder anzuschauen. Welche Freundschaften sind mir noch wichtig? Sollte ich mal wieder was dafür tun? Steht irgendwo noch ein klärendes Gespräch an oder ist es nötig, dass ich auch neue Kontakte knüpfe? Wie sieht´s mit der Zeit zu zweit aus? Egal ob Wohnung aufräumen oder Beziehungen klären. Es strengt auf jeden Fall an. Aber ich werde auch dafür belohnt. Genau wie beim Fenster putzen: ein gutes Gefühl und endlich wieder Durchblick bei mir selbst haben.

 

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