SWR3 Gedanken

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Gute Menschen gibt es viele. Kleine und große. Wer sind die Großen? Die, über die man liest oder spricht. Die, die in den Geschichtsbüchern stehen und deren Gedenktage man feiert. Mutter Teresa zum Beispiel mit ihrem nimmermüden Einsatz für die Armen in Indien. Oder Martin Luther King, der für die Gleichheit von Schwarz und Weiß sogar sein Leben ließ. Oder Dietrich Bonhoeffer, der sich für die Gerechtigkeit von einem Unrechtsregime hinrichten ließ.
Vorbilder, gute Menschen, über die man spricht. Noch nach Jahren und Jahrhunderten. Große Menschen, die man bewundert. Noch nach Jahren und Jahrhunderten. Und die Kleinen?
In meiner Gemeinde gibt es eine Frau, die gerade ihren 80. Geburtstag gefeiert hat. Sie selbst hat keine Kinder. Ihre Kinder, das sind die Nachbarn. Sie denkt an jeden Geburtstag. Sie kauft in ihrem hohen Alter noch für die ein, die nicht mehr aus dem Haus können. Sie ruft täglich an, wenn jemand krank ist, ob sie etwas helfen kann. Sie ist das, was man „eine gute Seele" nennt.
Aber außer mir und denen, die es betrifft, wird das nie jemand erfahren. Wenn man sie loben will, dann ist sie verschwunden. Wenn man ihre guten Werke hervorhebt, dann winkt sie ab. Das ist doch nicht der Rede wert, das ist doch selbstverständlich, sagt sie. Und wird rot.
Es ist nicht selbstverständlich. Gute Menschen sind nie selbstverständlich. Weder die Großen noch die Kleinen. „Tue Gutes und rede darüber," sagt der Volksmund. Man soll sein Licht nicht unter einen Scheffel stellen, sagt ganz ähnlich die Bibel. Weil es sonst niemand sieht. Und wenn es niemand sieht, dann wird es niemandem Mut machen, selbst eine gute Seele zu sein. Ungefragt für die anderen da zu sein. Ein Mensch zu sein.
Wenn jemand Gutes tut, dann ist das der Rede wert. Ob bei den Großen oder bei den Kleinen. „Tue Gutes und rede darüber."

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