SWR3 Gedanken

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Vor mir ein silberner Golf. Mit einem Aufkleber. Nur ein einziger Satz. Der lautet: "Ich bin stolz, ein Aufkleber zu sein." Mehr nicht. Wie lächerlich, denke ich. Und frage mich, was das soll. Wie kann ein Aufkleber stolz sein, ein Aufkleber zu sein. Er hat nichts dazu beigetragen, ein Aufkleber zu werden. Es ist nicht sein Verdienst, ein Aufkleber zu sein. Und es ist ganz und gar nicht seine Leistung, dann auch noch aufgeklebt zu werden. Was soll das? Wie lächerlich.
Nicht lächerlicher als viele andere Sätze, die mit Stolz zu tun haben. An erster Stelle der: "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein." Was soll denn das? Ich habe nichts dazu beigetragen, in diesem Land geboren zu werden. Es ist nicht mein Verdienst, dass ich in diesem Kulturkreis aufgewachsen bin. Und es ist ganz und gar nicht meine Leistung, einen violetten Reisepass zu besitzen. Worauf also sollte ich stolz sein?
Es gibt Dinge, auf die ich stolz sein kann. Wenn ich meine Talente nutze zum Beispiel. Wenn ich versuche, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Oder wenn ich meine Kinder anständig großziehe. Darauf kann ich stolz sein. Mein Beitrag, mein Verdienst, meine Leistung. Nicht um stolz auf andere herabzusehen, sondern um mir selbst in die Augen sehen zu können. Dann kann ich stolz sein. Dann darf ich stolz sein.
Alles andere ist Dummheit. Wie es der Volksmund sagt: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Und die Bibel stimmt dem rückhaltlos zu. Dort kommt der Stolz nicht gut weg. Weil er viel zu oft andere ausgrenzt, ausschmiert und abwertet. Und das ist mehr als lächerlich. Das ist gefährlich. Und gerade in unserem Land gibt es derzeit viel zu viele Beispiele für diesen dummen und gefährlichen Stolz, auf den wir alles andere als stolz sein können.
Der silberne Golf fährt weiter. Der Aufkleber entschwindet meinem Blick. „Ich bin stolz, ein Aufkleber zu sein." Ein kurzer und knackiger Hinweis darauf, wie dumm Stolz sein kann. Offensichtlich braucht es in unserem Land noch immer solche Hinweise. Nicht um ein stolzer Deutscher zu sein, sondern damit Menschen sich in diesem Land wirklich zu Hause fühlen können.

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