SWR3 Gedanken

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Ich weiß, ich weiß: Weihnachten ist längst vorbei. Sie haben dem Weihnachtsbaum sein Gnadenbrot auf dem Kompost gegönnt und auch den letzten Nikolaus-Kantenhocker von der Fensterbank gepflückt. Weil Weihnachten vorbei ist. Endgültig vorbei. Wenigstens für die nächsten ungefähr zehn Monate.
Für Andy Park gilt das nicht. Der britische Elektriker feiert seit zwölf Jahren täglich Weihnachten. Mit allem, was für einen guten Briten zu Weihnachten dazu gehört: der traditionelle Truthahn, Knallbonbons und die Ansprache der Queen. Seinen Beruf übt er am Vormittag aus. Schließlich kostet Weihnachten Geld, 21.900 Geschenke wollen finanziert sein. Aber an seiner nimmermüden Liebe zum Weihnachtsfest ändert das für Andy Park gar nichts.
„Alle Jahre wieder," heißt es in einem bekannten Weihnachtslied. Ich stelle mir vor, wie das wäre, wenn nicht alle Jahre, sondern alle Tage das Christuskind käme. Wenn Weihnachten wirklich nicht nur einmal im Jahr, sondern Alltag wäre. Und ich stelle fest, dass mir der Gedanke gefällt. Allerdings nicht im Stile eines Andy Park.
Wenn es nur darum geht, die Nikolaus-Kantenhocker täglich zu sehen und mein Wohnzimmer mit Tannen zu dekorieren, spüre ich das dringende Bedürfnis, Weihnachten wirklich auf ein paar Wochen zu reduzieren. Aber wenn es um das geht, was Weihnachten wirklich ist, dann kann es gar nicht genug Raum einnehmen übers Jahr.
Weihnachten ist das Fest der Freude. Darüber, dass Gott den Menschen nah kommt, einer von uns wird, unser Leben teilt, mit uns durch die Zeit geht. Weihnachten ist das Fest der Liebe, die nicht Kitsch und Kommerz huldigt, sondern harte Herzen weich macht. Weihnachten ist das Fest der Familie, die Tante Käthe erträgt und den einsamen Herrn Schmidt adoptiert. Weihnachten ist das Fest eines Gottes, der den Menschen nah sein will an jedem Tag ihres Lebens. In diesem Sinne kann von mir aus Weihnachten ewig dauern. Nicht nur alle Jahre, sondern alle Tage wieder.

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