SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich habe sie gezählt. Neun Schirme stehen in einem Schirmständer im Vorraum unserer Kirche. Die gehören nicht mir. Die gehören irgendwelchen Leuten, die sie vergessen haben. Vermutlich hat es auf dem Hinweg zur Kirche geregnet. Vermutlich war nach dem Gottesdienst der Regen vorbei. Wozu dann noch ein Schirm? Denn an einen Schirm erinnert man sich meist nur dann, wenn man ihn braucht.
Wenn der Himmel grau in grau ist, wenn es Hunde und Katzen regnet, dann brauche ich einen Schirm. Dann suche ich meinen Schirm. Dann bin ich froh, wenn ich ihn finde. Spanne ihn auf und fühle mich ein bisschen geschützter. Beschützter. Geborgener.
Mit Gott ist es irgendwie ähnlich. Wenn sich mir das Leben von seiner rauen Seite zeigt, wenn Not am Mann oder an der Frau ist, dann suche ich ihn. Und hoffe, dass er eine Art Schirm für mich ist, unter dem ich mich beschützt und geborgen fühlen kann. Damit das Leben mich nicht gänzlich nass macht. Und wenn die Sonne wieder scheint, dann kann es passieren, dass ich ihn vergesse. Meinen Schirm, meinen Gott.
Die neun Schirme im Schirmständer unserer Kirche stören sich nicht daran, dass sie vergessen worden sind. Schließlich sind es ja auch nur Schirme. Ich glaube, Gott möchte mehr sein als ein Schirm im Schirmständer. Obwohl er diese Rolle nicht scheut: „Du bist mein Schild und mein Schirm; ich hoffe auf dein Wort," heißt es im 119. Psalm.
Gott ist wie ein Schirm. Der da sein will, wenn das Leben mich nass macht. Aber er will mehr sein als die Nummer zehn in einem Schirmständer. Er will mit mir durch den Regen gehen, den Sturm aushalten, mit mir genießen, dass die Wolken sich verziehen und dann immer noch an meiner Seite sein, wenn die Sonne lacht.
Gott ist ein Schlecht-Wetter-Gott und ein Gut-Wetter-Gott. Er ist Schirm und Schutz. Er tanzt mit mir unter einem blauen Himmel und wölbt sich über mir, wenn ich seinen Schutz brauche. Er ist nicht irgendein Schirm, er ist sozusagen der ultimative Schirm.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12283
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