SWR2 Wort zum Tag

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Keine sechs Jahre war er alt, da hatte er seinen Gott gefunden: ein Stück Eisen. Noch im Alter erinnert sich Teilhard de Chardin, der Jesuit und Naturforscher, an diese faszinierende Endeckung der Kindheit. Schon damals überwältigte ihn, dass es so etwas Festes gibt wie Eisen, wie Steine dann und Mineralien. In der Tat, dass wir Boden unter den Füßen haben, ist ja so selbstverständlich nicht. Jedes Erdbeben erinnert daran. Verlässlichen Boden unter den Füßen, tragfähigen Grund, Steine, Mineralien, Metalle, Erde.
Im Frühling ist die Erde unmittelbar spürbar. Überall wieselt es derzeit in den Gärten. Längst ist aufgeräumt, Erdreich wird vorbereitet, Pflanzungen sind im Gange. Die Steine müssen vom Feld, die Steinchen vom Blumenbeet. Unmittelbar ist jetzt der Kontakt zur braunen Erdkrume, zu Stein und Pflanze, zum Irdischen wortwörtlich. Ob der kleine Teilhard nicht zeitlebens recht hatte? In der Materie steckt ein Geheimnis, noch der kleinste Vorgarten erinnert an die Kraft des Lebendigen, ein Stückchen Muttererde im Quadrat. Der große Garten der Natur, die landwirtschaftliche Arbeit, der kleine Schrebergarten – wir leben auf kostbarem Boden; umso schlimmer ist die hausgemachte Versteppung der Erde, der tägliche Verlust an Erdkrume.
Seit alters wird auch das Innenleben des Menschen mit einem Garten verglichen. Vom Paradiesgärtlein der Seele ist die Rede. Auch da wachsen unterschiedlichste Blumen, Gefühle, Gedanken, Anregungen und Triebe. Auch da gibt es das Erdreich der Seele, verlässlichen Grund hoffentlich und auch manche Brocken, die weg müssen, damit es wieder wächst. Paradies, ein Wort aus dem Iranischen, ist ein königlicher Garten – draußen in der Natur, für die Götter und Könige, drinnen im Menschen – ja, für wen, für meinen Gott, für mein Leben. Und da ist Gartenpflege angesagt, damit es wächst und gedeiht. Im gepflegten Vorgarten sitzen oder kultivierte Landschaften durchwandern – welch ein Glück. Im aufgeräumten Seelengarten bei sich selbst spazieren gehen und gar andere dazu einladen – welch wunderbare Veranstaltung. Bei einem Liebhaber der Materie, der Evolution und der Energie wie Teilhard de Chardin lässt sich lernen, wie kostbar das Dasein ist: festen Boden unter den Füßen, gute Erde zwischen den Händen – ach, die Welt könnte ein Paradies sein. Und das eigenen Innenleben auch. Die Gartenpflege draußen lädt dazu ein, auch den Garten innen in Ordnung zu bringen. Damit das Leben blüht und gedeiht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1227
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