SWR2 Wort zum Tag

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Das „gewisse Etwas“ – wer kennte es nicht? Den Gewürz in der Speise, das Salz in der Suppe, der Kick in der Beziehung, das Lebenselixier überhaupt. Ohne das „gewisse Etwas“ ist in allem etwas zu wenig, und irgendwie stimmt dann alles nicht. Der berühmte mittelalterliche Theologe Meister Eckhart nennt es den Himmel auf Erden, eine Kraft in der Tiefe des Menschen, das Seelenfünklein, völlig absichtslos und frei. Poetisch beschreibt Eckhart: „Es ist von allen Namen frei und aller Formen bloß, ganz ledig und frei, wie Gott ledig und frei ist in sich selbst. Es ist so völlig eins und einfaltig, wie Gott eins und einfaltig ist, so dass man mit keinerlei Weise dahin hinein zu lugen vermag. Diese Kraft, darin Gott blühend und grünend ist mit seiner ganzen Gottheit und der Geist in Gott“ – die macht das wahre Leben aus.
„Blühend und grünend mit seiner ganzen Gottheit“ – ein wunderbares Bild, das zum Frühlingserwachen jetzt passt. Überall in der Natur hat es ausgetrieben, es grünt und blüht, da will Neues heraus und zum Licht, da ist kein Halten mehr, kreatives Treiben wohin man auch schaut. Ist es nicht naheliegend, dass Meister Eckhart gerade dieses Bild nimmt, um das gewisse Etwas zu beschreiben – das Geheimnis des Lebens? Man spürt förmlich, wie er herumstottert. Denn worum es wirklich geht, kann auch er nicht fassen. Die letzte Wirklichkeit in jedem Menschen – wer kennt sie schon, wer könnte sie angemessen aussprechen? Wer bin ich, wer sind Sie? Was ist die Quintessenz in meinem Leben, die tiefste Tiefe und höchste Höhe, das Wichtigste in allem? Höchste Lebendigkeit, sagt der christliche Mystiker. Im Menschen drängt es zum wahren Leben wie draußen in der Natur. Nur der Mensch aber sucht seinen Lebenssinn. Und da kommt es auf das gewisse Etwas an. Im Geschöpf ist es der Schöpfer, der zur Welt drängt. Denn Gott ist höchste Lebendigkeit. In einer Predigt hat Meister Eckhart das so erläutert. „Ich war einst gefragt, was der Vater im Himmel täte. Da sagte ich: er gebiert seinen Sohn, und dieses Tun ist ihm so lustvoll und gefällt ihm so wohl, dass er nie etwas anderes tut, als seinen Sohn gebären, und sie beide blühen den Heiligen Geist aus.“ Was in Jesus geglückt ist, soll in allen Menschen glücken: Söhne und Töchter Gottes sollen sie werden. Aufblühen soll in ihnen die schöpferische Lebendigkeit Gottes, aufblühen und ausblühen. Dann ist Frühlingserwachen in uns und zwischen uns. (Vgl. Predigt II, Predigt IV).


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