Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die Nacht ihrer ersten Geburt war kalt gewesen.
In späteren Jahren aber vergaß sie gänzlich
den Frost in den Kummerbalken und rauchenden Ofen.
Und das Würgen der Nachgeburt gegen Morgen zu.
aber vor allem vergaß sie die bittere Scham
nicht allein zu sein, die den Armen eigen ist.

Dieses Gedicht von Bert Brecht beschreibt die Weihnachtsgeschichte ziemlich realistisch. Die Geburt Jesu war ja wirklich eine arme- Leute- Geschichte.
Maria und Josef , weit weg von zu Hause. Und als es mit den Wehen losgeht, bleibt nur ein Stall. Heute wäre das eine Ecke in einem Flüchtlingslager oder ein Wohncontainer für Nichtsesshafte.
Warum fühlt sich für uns die Weihnachtsgeschichte so anders an? Der Stall ist warm und hell und voll von freundlichen Menschen.
Verklären wir da nicht etwas?
Ja, meint Bert Brecht. Und das hat schon bei Maria angefangen. Kaum hält sie ihr Jesuskind in den Armen, kaum schaut sie ihm in die Augen, hat sie alles vergessen. Den Geburtsschmerz, den Frost im Kummerbalken, die bittere Scham, arm zu sein.
Nein, eigentlich hat sie es nicht vergessen. Sie sieht es nur mit anderen Augen.  Mit den Augen ihres Kindes. Mit den Augen Jesu.
„Sein Gesicht war leicht, schreibt Bert Brecht, er liebte Gesang und lud Arme zu sich ein. Er hatte die Gewohnheit, einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit."
Ja, solche Menschen gibt es. Die können dir im Dunkeln einen Stern zeigen. Wenn sie durch die Tür treten, machen sie deinen Raum hell und weit. Und wenn sie dich anschauen, wird dir ganz schwindelig von so viel Güte.
Alles, was du mit dir herumschleppst, die Kälte, deinen Kummerbalken und die Scham, sie fallen von dir ab wie ein alter Mantel. Und deine Hütte wird zum Palast.
Das feiern wir an Weihnachten. Gott ist Mensch geworden. Und er will auch zu dir kommen, in dein Lebenshaus, in deine Hütte. Nichts muss so armselig bleiben, wie es scheint.
Bert Brecht beschreibt das Ende der Weihnachtsgeschichte so:

Das rohe Geschwätz der Hirten verstummte. Später wurden aus ihnen Könige.
Der Wind, der sehr kalt war, wurde zum Engelsgesang.
Und von dem Loch im Dach, das den Frost einließ,
blieb nur der Stern, der hineinsah.

Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten!

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