Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Dieser eine Moment vor dem Altar, mich rührt der immer besonders. Wenn der Pfarrer zu zwei Menschen sagt: Wollt ihr beieinander bleiben? In guten und schlechten Zeiten? Und die sagen dann nacheinander. Ja, ich will. Ich will dich auch noch lieben, wenn du ungeschminkt und verschrumpelt aussiehst. Ich will dich auch lieben, wenn ich dich nicht verstehe. Das will ich bis zum Ende meiner Tage.
Dieses bedingungslose Ja, ohne wenn und aber, ohne Hintertürchen - das gibt's. Vielleicht von der Mutter, dem Vater, der Familie oder der Geliebten. Man kann es in der Natur spüren und auch im Zusammensein mit einem Tier. Wunderbar.
Die meisten Beziehungen aber sind eher geprägt von einem Ja- aber. Auf der Arbeit, im Verein, bei Bekannten und auch bei bestimmten Freunden. Da ist das „Ja" begrenzt durch ein „Aber" durch Absprachen und Verträge. „Wir sagen ja zu dir als Kollegen, aber das Ja ist gebunden an deine Bereitschaft, deine Arbeit und deine Verpflichtungen zu übernehmen. Das ist ganz normal unter Erwachsenen.
Und doch rührt jedes „Ja- aber" an eine Sehnsucht.
Wo ist der Mensch, der zu mir steht ohne wenn und aber? Wo ist der Ort, an dem ich gewollt bin ohne Bedingungen, wo ich sein darf, wie ich bin? Wo gibt es dieses „Ja, ich will dich"? Für immer und ewig?
Jetzt an Weihnachten ist für viele diese Sehnsucht besonders groß. Vielleicht auch, weil Weihnachten ans Kindsein erinnert. Und an die Zeit, als es da eine Mutter oder einen Vater gegeben hat mit so einem bedingungslosen Ja. Aber jetzt, als Erwachsener: Wohin mit diesem Gefühl von Heimatlosigkeit? Mit der Sehnsucht?
Der Apostel Paulus meint: Nur Gott allein kann so ein bedingungsloses Ja sprechen- für immer und ewig. Und genau das feiern wir jetzt an Weihnachten. Da bekommt Gottes Ja ein Gesicht und es bekommt Hand und Fuß. In diesem Kind im Stall. Gott gewinnt Gestalt in diesem Menschen Jesus von Nazareth. Wie wir ist er heimatlos, sehnsuchtsvoll unterwegs zum großen Ja Gottes. Und zugleich ist er ganz durchdrungen von diesem Ja. Und alle kommen und wollen in seiner Nähe sein, Blinde, Lahme und Verrückte und Halsabschneider. Leute, bei denen man sich fragt, was er an denen wohl gefunden hat. Sie werden heil in seiner Nähe, weil sie das große Ja Gottes spüren. Und bis heute gibt es Leute, die etwas von dem großen Ja Gottes ausstrahlen. Die einen wollen, in guten wie in schlechten Zeiten. Da kann man nur noch „Amen" dazu sagen und dankbar sein. Ja, Gottlob, das gibt es.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12148
weiterlesen...