SWR3 Gedanken

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„Jetzt kann ich sterben" sagt er und hält das Jesuskind hoch.
Maria und Joseph hatten - wie es damals üblich war - ihr Kind nach der Geburt in den Tempel gebracht. Und da kommt dieser alte Mann, Simeon, nimmt den kleinen Jesus auf den Arm und sagt eben genau das: „Jetzt kann ich sterben; jetzt nachdem ich den Heiland gesehen habe." (Lukas 2,25-35)
Was diesen Simeon so interessant macht? Der hat da Jahre, Jahrzehnte, fast sein ganzes Leben im Tempel ausgeharrt und auf eben diesen einen Augenblick gewartet. Simeon hat mit unerschütterlicher Hoffnung und Ausdauer und Geduld gewartet, dass wahr wird, was Gott versprochen hat, dass er sich um uns kümmert und sich um uns sorgt. Ich vermute mal, dass die Menschen diesen Simeon ausgelacht, ihn lächerlich gemacht haben: was für ein Träumer, ein Phantast, ein kindischer Greis; mehr nicht; nicht ernst zu nehmen. Wer wartet schon ein Leben lang? Warten ist langweilig und doof.
Und nun sieht Simeon also dieses Jesuskind. Aber er sieht weit mehr: er sieht das kleine Baby im Licht dessen, was es einmal sein wird. Noch ein kleines Kind, bald aber ein Hoffnungsträger für die Menschen.
Was ich an Simeon so toll finde? Wir leben in einer Welt voller Fehler, voller Leid; da passieren tagtäglich Dinge, die einfach keinen Sinn machen, die verletzen und ungerecht sind. Und trotz alledem vertraut Simeon auf Gott in dieser trostlosen Welt; er vertraut gegen allen Augenschein. Und letztendlich sieht er sich in der Geburt dieses Kindes bestätigt: Die Welt ist nicht verloren, weil mit diesem Kind die Zukunft der Kinder Gottes eröffnet wird.
Wer so glaubt, sieht sein Leben und die Welt mit anderen Augen.
Aus: Annegret Reitz-Dinse & Hartmut Dinse „Paargeschichten: Beziehungen in der Bibel - 12 Dialoge" Neukirchener Verlagshaus 2002.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12060
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