SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Der Mai ist der klassische Marienmonat. Maria, die Mutter von Jesus, wird in vielen Orten mit Prozessionen und Andachten verehrt. Dabei wird sie meist prächtig dargestellt, in Gold und Seide. Eine echte Himmelsprinzessin.
Wenn ich das Leben der Maria etwas genauer anschaue, dann hat das aber nicht viel mit Himmelsprinzessin zu tun: ein jüdisches Mädchen aus einem Bergdorf in Palästina. Wahrscheinlich schwielige Hände vom Wasserholen und Brotbacken. Vielleicht muss sie ihrem Mann Josef in der Schreinerei helfen. Auf jeden Fall aber wird über sie getuschelt, denn sie hat einen unehelichen Sohn namens Jesus.
Und der ist alles andere als ein Vorzeige-Söhnchen. Er hält aufrührerische Reden, umgibt sich mit üblem Volk und legt sich mit der High Society an. Es gibt sicherlich prickelndere Vorstellungen über die Karriere des eigenen Sohnes. Aber Maria hält zu ihm.
An einer Stelle in der Bibel wird deutlich, dass Maria sogar rebellische Züge hat. Eines Tages nämlich singt sie ihrer Verwandten Elisabeth einen echten Revoluzzer-Song vor:
„Meine Seele preist die Größe des Herrn.
Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“
Wenn das nicht das Lied einer Rebellin ist.
Ich finde, das passt ganz gut zum heutigen Maifeiertag. Er stammt ja aus der Arbeiterbewegung. Und auch heute noch wird demonstriert für die Grundrechte der Arbeiter und bessere Bedingungen. Das wäre bestimmt auch das Anliegen der Maria gewesen. Und das passt besser zu ihr als all die Bilder einer Frau in Gold und Seide, einer demütigen „Magd des Herrn“, die klein beigibt und sich still im Hintergrund hält.
Nein! Maria, das ist die Arbeiterin, die unangepasste Mutter, und ein bisschen auch Rebellin.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1203
weiterlesen...