Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich war überhaupt nicht zufrieden - mit mir. Der Grund: Der Computer war kaputtgegangen. Es roch verschmort. Ich hab also die Kiste aufgeschraubt. Es war das Netzteil. Also hab ich ein neues eingebaut. Alles klappte. Nur als ich eine CD einlegen wollte, ging gar nichts. Ich hab den Computer ein paar Mal aufgeschraubt. Genutzt hat es nichts. Meine Stimmung sank in den Keller. Mir ist wieder einmal aufgefallen, wie wenig nötig ist, dass ich unzufrieden werde. Wenn was schief läuft, wenn etwas nicht stimmt, wenn ich mich unwohl fühle. Ich denke ganz selten: Jetzt bin ich zufrieden. Zufriedenheit kommt vom Wort Frieden. Und Zu-Frieden meint: „beruhigt, befriedigt." Wenn ich also ruhig bin, mit mir selber und anderen in Frieden lebe, dann bin ich zufrieden. Wenn ich mit mir und der Welt versöhnt bin. Aber ich erlebe immer wieder: Es ist verdammt schwer, zufrieden zu sein. Vielleicht auch deshalb spielt Zufriedenheit in der Bibel keine Rolle. Der Grund? In der Bibel gibt es viele Geschichten von Unzufriedenheit. Menschen, die versklavt sind. Menschen, die nicht aus noch ein wissen. Menschen, die sich mit Eltern oder Geschwistern verkracht haben. Menschen auf der Flucht. Auch wenn das alles nicht toll ist, hilft mir der biblische Blick. Weil ich sehen kann: auch heute liegt vieles im Argen, gibt es gute Gründe unzufrieden zu sein. Der kaputte Computer ist da eher ein kleiner Grund. Ich erlebe: Dass Menschen einsam sind. Dass sie verbittert sind. Dass selbst ein kleines Lob viel zu selten ausgesprochen wird. Oder: dass Menschen in unserem reichen Land für einen Hungerlohn arbeiten müssen. Dass Kinder schlechte Chancen haben. Dass Familien benachteiligt werden. Trotzdem gibt es aber auch viele Gründe, zufrieden zu sein. Irgendwann habe ich den Computer doch ans Laufen gekriegt. Ich bin gelobt worden. Jemand hat mich angelächelt. Ich habe ein gutes Gespräch geführt. Und ich denke: Zufriedenheit und Unzufriedenheit gehören zusammen. Beide sind wichtig. Zufriedenheit, weil sie mein Leben rund macht, und Unzufriedenheit, weil sie mich immer wieder aufrüttelt. Mich fragen lässt, was eben nicht gut ist - bei mir, bei anderen und in der Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12016
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