SWR3 Gedanken

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Alle Deutschen sind fleißig. Alle Muslime sind Islamisten. Alle Osteuropäer klauen Autos und die Türken aus Ostanatolien schlagen alle ihre Frauen. Na klar, das sind Klischees und Sie merken sofort, dass ich übertreibe. Aber: Mal ehrlich – haben Sie nicht auch schon mal so was oder so was ähnliches gedacht?
Klar, als aufgeklärte und tolerante Europäer wissen wir natürlich, dass das pauschal so nicht stimmt. Aber da passiert irgendwo was, was zu dem dummen Vorurteil in unserem Kopf passt und zack, schon ist es wieder da.
„Du sollst dir kein Bildnis machen“ – steht in der Bibel. Dieses Gebot- das zweite von den berühmten 10, die Gott dem Mose vor tausenden von Jahren mitgegeben hat, erwischt einen immer wieder eiskalt: Diese Lebensregel weiß darum, dass wir offensichtlich Bilder und Schablonen brauchen, um Dinge einordnen zu können. um Situationen und Menschen einschätzen zu können. Das ist ja erst auch mal nicht schlimm.
Und doch: „Du sollst dir kein Bildnis machen.“ Warum ist Gott dieses Gebot so wichtig, dass es gleich an zweiter Stelle kommt?
Es will uns daran erinnern, dass wir unsere Bilder immer wieder überprüfen und gegebenenfalls auch mal neu malen.
Jeder Mensch hat ja noch ganz andere Möglichkeiten, ganz andere Talente und Gaben als die, die wir auf Anhieb entdecken. Mit einer Schablone im Kopf, mit einem ganzen Arsenal von Schubladen, in die wir den Menschen stecken übersehen wir vielleicht das Wesentliche an ihm!
Für mich heißt das konkret: „Prüfe. Wäge ab. Schätze ein. Mach dir ein Bild, eine Meinung. Aber: Sei bereit, dich auch mal wieder davon zu verabschieden. Sei bereit, ein neues Bild zu zeichnen – wie ein wirklicher Künstler. Und sei offen für Überraschungen. Auch die guten!
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