SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Können Sie zuhören? Selbstverständlich, hätte ich bis vor Kurzem geantwortet. Sie vermutlich auch. Ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Telefonseelsorge hat mich etwas vorsichtiger gemacht.
„Hören kann jeder, aber zuhören?" hat sie gesagt. Und dabei war unüberhörbar, sie bezweifelt, dass jeder der hören kann, im Gespräch auch zuhört. Ihre eigene langjährige Mitarbeit in der Telefonseelsorge lässt sie so kritisch sein. Wirklich zuhören will gelernt und geübt sein, meint sie.
Hören kann jeder, hat sie gesagt, aber beim Anderen zu sein und das zu hören, was im Verborgenen liegt, das bedeutet wirklich Zuhören. Ich muss mich immer wieder rück vergewissern, was ich höre, ob das auch wirklich stimmt.
Zwei Verhaltensmuster fallen mir ein, die wohl wirkliches Zuhören verhindern können.
Das erste: Man hört nicht hin zum Anderen. Man bleibt viel mehr bei sich. Ich glaube, das ist häufig in der Alltagskommunikation. Im Büro, zwischen Partnern. Sie kennen diese Gespräche, da sieht man es dem Zuhörer schon an, er wartet nur auf den passenden Moment, an dem er endlich anfangen kann zu reden. Schon eine etwas längere Atempause reicht. Ich kann nicht beim wirklich beim Anderen sein, wenn ich nur auf diese Lücke lauere, in die hinein ich mich äußern kann.
Das zweite Hindernis ist vielleicht nicht ganz so offensichtlich. Da hört man dem anderen zu, unterbricht ihn nicht. Aber man ist dennoch nicht wirklich beim anderen, weil man das, was er oder sie erzählt zu schnell auf eigene Erfahrungen und Empfindungen hin absucht. Und viel zu rasch davon überzeugt ist, „das kenne ich auch, ich habe verstanden." Insofern hängt wohl wirkliches Zuhören von beidem ab: Kann ich mein eigenes Redebedürfnis bremsen, vor allem aber auch mein vorschnelles Deutungsbedürfnis.
Ein kleines Detail in einer Geschichte, die von Jesus erzählt wird, hat mir das ganz neu erschlossen. Ich habe mich immer gewundert, warum tut Jesus das? Er kommt in ein Städtchen. Auf der Straße sitzt ein blinder Bettler, ruft laut um Hilfe. Jesus hört ihn, spricht ihn an und als erstes fragt er ihn: Was möchtest Du? Ich habe immer gedacht, warum fragt er? Der Mann ist blind, es ist offensichtlich, was er wollen wird. Aber Jesus ist sich da anscheinend nicht so sicher. Er geht nicht vorschnell von sich aus. Er will wirklich dem Anderen zuhören.
Vorschnelles Reden und Deuten verhindern Zuhören. Komisch: Wenn man mir nicht zuhört, merk ich das sofort. Andersherum ist es viel schwieriger.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11936
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