SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Meine Bilder beschwören des Geheimnisvolle. Dieses Geheimnisvolle bedeutet - nichts. Denn es entzieht sich unserem Wissen." Der surrealistische Maler René Magritte hat das einmal gesagt. Ist dieses Wort Magrittes nicht eine zeitgemäße Weise, von Gott zu reden? Sollen wir - Kinder einer säkularen Welt  - nicht auf diese Weise von Gott reden: dass er sich unserem Wissen entzieht? Dass das, was wir mit dem Wort Gott meinen, alles sprengt, wonach wir fragen und wovon wir sprechen können?
Die Frage nach Gott treibt die Menschen um - heute vielleicht mehr denn je, wo wir in einer von Wissen durch und durch geprägten Welt vor allem nach einem suchen: Woran können wir unser Leben orientieren; was gibt unserem Leben Sinn? In der Suche nach dem oft so dunklen, rätselhaften Sinn des Lebens kann sich die Frage nach dem oft so dunklen, rätselhaften Gott verbergen. Es geht ja nicht um den Sinn von diesem oder jenem. Es geht vielmehr um die ersten und letzten Fragen: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Was gibt mir Halt und Trost in einer Welt, in der es allzu oft so aussieht, als gebe es keinen Gott? Viele leiden an diesen Fragen wie an einer offenen Wunde. Für andere sind sie sinnlos, Ausdruck eines unaufgeklärten, unwissenschaftlichen Denkens. Nicht dem, der nicht an Gott glaubt, fehlt etwas, sondern dem, der an Gott glaubt, sagen atheistische Kritiker. Von „Gotteswahn" sprechen sie sogar. Gläubige sollten diese Kritik nicht einfach abtun. Sprechen wir nicht oft unangemessen von Gott - so wie man über irgend etwas neben vielem anderen spricht? Sind wir nicht oft viel zu rasch mit Antworten zur Hand und nehmen die Fragen der Menschen nicht ernst genug? Haben nicht auch glaubende Menschen oft eine unselige Konkurrenz aufgebaut zwischen dem, was wissenschaftliches Denken leistet und was der Glaube zu sagen hat? Und doch: Wenn alle wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, sind die eigentlichen Lebensfragen überhaupt noch nicht berührt. So hat es der Philosoph Ludwig Wittgenstein einmal gesagt. Was ist gut und was ist böse? Was tröstet uns in der Tragik? Was hält uns im Angesicht des Todes? Darüber gibt wissenschaftliche Logik keine Auskunft. Und auch auf die Sinnfrage schlechthin: Warum ist denn überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? - auch auf diese Frage gibt es keine logisch zwingende Antwort. Nicht wie die Welt ist, ist das Geheimnis, sondern dass sie überhaupt ist, sagt Wittgenstein. Er nennt dieses Geheimnis das „Mystische". Über das Mystische können wir in der in der Sprache von Logik und Wissenschaft nicht sprechen. Und so kommt Wittgenstein zu dem berühmten Satz: Wovon wir nicht reden können, darüber müssen wir schweigen. Darüber müssen wir schweigen. Kann nicht auch das Schweigen über Gott zutiefst angemessen sein? Muss man nicht zuerst einmal bereit sein, über Gott zu schweigen, um dann vielleicht auch einmal glaubwürdig von ihm zu reden zu können?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11885
weiterlesen...