Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Man schreibt das Jahr 70 n. Chr. Die Römer haben gerade Jerusalem und seinen Tempel zerstört. Die meisten Apostel sind tot; Petrus und Paulus vor einigen Jahren als Märtyrer in Rom gestorben. Die erhoffte rasche Wiederkehr des auferstandenen Christus ist bisher ausgeblieben. Unsicherheit breitet sich aus in den jungen christlichen Gemeinden.
Da tritt ein Schriftsteller auf den Plan. Kein genialer Wortakrobat, aber ein guter Erzähler. Er wagt etwas völlig Neues: eine Geschichte über das Leben und Wirken des Jesus von Nazareth. Dieser Pionier ist der Evangelist Markus. Er verwertet verschiedene schriftliche Zeugnisse, die ihm vorliegen und macht daraus eine geschickt aufgebaute Erzählung. Von der Taufe Jesu im Jordan bis zu Tod und Auferstehung in Jerusalem.
Seine Arbeit nennt er „Gute Nachricht“, „Frohe Botschaft“. Mit diesem in Griechisch abgefassten „Evangelium“ begründet Markus eine neue Form der Literatur. Sie wird Schule machen. Lukas, Matthäus und Johannes folgen Jahre später seinem Beispiel.
Ob Markus wirklich der Begleiter des Paulus und Dolmetscher des Petrus war, wie die christliche Tradition meint, darüber streiten die Gelehrten. Es ist auch nicht klar, ob er das Evangelium für eine christliche Gemeinde in Syrien oder in der Hauptstadt Rom schrieb. Heute jedenfalls feiert die Kirche seinen Namenstag.
Wer sich mit der Gestalt Jesu beschäftigen möchte, der sollte auf das Markus-Evangelium zurückgreifen. Nicht nur, weil es das älteste und kürzeste ist! Markus bevorzugt die Taten Jesu. Seine Sprache ist mitreißend und temperamentvoll, die Personen emotional bewegt. Die Spannung wächst von Seite zu Seite: Wer ist dieser Jesus eigentlich?
Der erste Mensch, der Jesus als „Sohn Gottes“ bekennt, ist nach Markus ausgerechnet der römische Hauptmann, der die Hinrichtung auf Golgatha überwacht. Ein Heide also! Auch das ein Hinweis darauf, dass der erste Evangelist für eine christliche Gemeinde schreibt, in der die meisten Gläubigen nicht mehr aus dem Judentum kommen. Es lohnt sich, das Evangelium einmal (wieder) fortlaufend zu lesen und nicht nur in Ausschnitten. Wer dabei ganz unmittelbar dem Glauben der ersten Christen begegnen möchte, der kommt an Markus nicht vorbei.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1182
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