Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Jede verwelkte, abgelegte Rose werden wir einzeln aufheben. Wir nehmen nicht die Schippe." In den Nachrichten wurden Bilder aus Oslo gezeigt: Ein Berg von Blumen war zu sehen. Nach dem schrecklichen Attentat im vergangenen Sommer hatten viele Menschen Blumen abgelegt. Hilflos, fassungslos, voll Trauer. Und ein Mann sagte beim Interview: „Jede verwelkte, abgelegte Rose werden wir einzeln aufheben. Wir nehmen nicht die Schippe."
Mich hat das sehr berührt. Wie zart und behutsam mit der Trauer umgegangen wurde. Auf Hass mit noch mehr Liebe zu antworten. Diese Haltung der Norweger zeigte sich in so vielen kleinen Zeichen - auch und gerade beim Trauern.
Heute, an Allerseelen, besuchen viele Menschen die Gräber ihrer Angehörigen. Sie denken an sie und erinnern sich an das, was sie zusammen erlebt haben, was wichtig war und auch wichtig bleibt. Sie zeigen mit dem Besuch und dem Gebet: Ihr Toten, ihr seid nicht vergessen. Und wir achten nach wie vor, was uns verbunden hat.
An Allerseelen denkt die Kirche aber auch an alle, deren Gräber niemand mehr besucht, die niemand vermisst und deren Namen keiner mehr nennt. Alle Seelen, alle Toten werden im Gebet geehrt. Und damit macht das Fest Allerseelen auch deutlich: Die Menschen, die vor uns gelebt haben, sind nicht vergessen, auch wenn hier keiner mehr an sie denkt. Ihr Leben ist auch über ihren Tod hinaus von Bedeutung.
Wenn ich in meinem Wohnort über den Friedhof gehe, sehe ich nur ganz wenige bekannte Namen. Von den allermeisten Verstorbenen weiß ich nichts, nur das, was ich auf dem Grabstein lesen kann. Ich weiß nicht, wie sie aussahen, welche Ansichten sie hatten, was sie erlebt haben. Ich sehe gepflegte und verwahrloste Gräber, mit frischen und schon lang verwelkten Rosen. Aber, ich weiß, es sind Menschen, die wie ich hier

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11817
weiterlesen...