SWR4 Sonntagsgedanken

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Gestern war Reformationstag, da erinnern sich Christen an Martin Luther. Ein eindrücklicher Film hat vor ein paar Jahren das geistliche Ringen des jungen Mönches Martin dargestellt. Wie er an einem strafenden Gott gezweifelt hat, wie er die Heilige Schrift studiert hat. Er hat den Mut gefunden Thesen zu formulieren, die sich gegen den Ablasshandel der römisch-katholischen Kirche richteten. Er wollte mit seinen 95 Thesen, angeschlagen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg, die Kirche von ihren Wurzeln her erneuern. Allein die heilige Schrift, allein der Glaube, allein Jesus Christus und allein seine Gnade, das waren und sind seine Maßstäbe, sie sind für die Menschen und ihre Lebensdeutung wichtig und nicht eine mächtige Kirche, die das Heil verwaltet, es den Menschen zuteilt oder verweigert. Luther hat in der Bibel, in den Briefen des Apostels Paulus die Lehre vom gnädigen Gott entdeckt. Darauf hat er sich ein Leben lang bezogen und den evangelischen Christen die Richtung für Glauben und Leben gewiesen.
Martin Luther wollte keine Kirche, die mit ihrer Hierarchie eine Ordnung zementiert, die durch feste Regeln, Gesetze und Vorschriften gekennzeichnet ist.
Freiheit war für ihn wichtig. Freiheit, aber nicht Willkür. Und von Luthers Anstößen zur Freiheit hat später die Entwicklung zur Demokratie ihren Lauf genommen, durch Luthers Bibelübersetzung, die sich rasch in Deutschland ausbreitete, hat die deutsche Sprache ihre heutige Gestalt gewonnen. Wäre Luther ein Bayer gewesen, würden wir heute wohl bayerisch sprechen. Luther war aber ein Thüringer und so ist die Wurzel unserer Hochsprache ein thüringisch gefärbtes Hochdeutsch, was man an vielen Worten noch merkt. Luther hat unserem Volk Zutrauen zu unserer Sprache gegeben.
Von der Reformation gingen weltweit Anstöße aus für die Freiheit des Einzelnen, aber auch für die Aufklärung, für die Freiheit der  Wissenschaften, der Philosophie, Musik, Kunst und Kultur.
Eindrücklich sind in dem Film „Martin Luther" die Entwicklungen dargestellt, die er persönlich durchgestanden hat, auch in der Zeit, als die Reformation bereits ganz Deutschland erfasst hatte.
Immer wieder hat er die Bibel befragt, sein Gewissen geprüft bis hin zu dem unerschütterlichen Bekenntnis: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen". Das war 1521 vor Kaiser und Reich in Worms, als er seine Erkenntnisse widerrufen sollte. Und kurz darauf ging es um sein Leben, als der Papst ihn für vogelfrei erklärt hatte, so dass jedermann ihn hätte töten können. Da wurde er von seinem Kurfürsten auf die Wartburg gerettet.

Heute ist nun wieder ein Gedenktag, Allerheiligen, ein Feiertag der katholischen Christen, im 8. Jahrhundert von Papst Gregor III. eingesetzt und auf den ersten November festgelegt, er wird bis heute mit Gottesdiensten gefeiert und ist für viele Christen mit dem morgen folgenden Gedenktag
„Allerseelen" auch der Anlass, sich an die verstorbenen Familienangehörigen zu erinnern. Die Gräber werden geschmückt, besinnliche Friedhofsgänge lenken den Blick zurück.
Heilig ist alles, was zu Gott gehört. Alle Christen sind also im Glauben heilig und können mit ihrem Leben auf Gottes Gnade antworten. Und Allerheiligen mahnt zu einem heiligmäßigen Leben für die, die zu Gott gehören, in der Hoffnung, dass sich durch die gelebten christlichen Überzeugungen die Welt so verändern lässt, wie es Gott gefällt.
Wie das gehen kann, haben wir eindrücklich erlebt, als wir mit der Gemeinde die Elisabethkirche in Marburg besucht haben. Die junge Frau des thüringischen Landgrafen hat sich nach dem Tod des Ehemannes intensiv um kranke und leidende Menschen gekümmert. Sie begründete damit eine christliche Liebesbewegung, die sich bis heute in Caritas und Diakonie widerspiegelt. Wir haben die schönen mittelalterlichen Glasfenster in der Kirche bewundert, die Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth zeigen, zum Beispiel das Rosenwunder, kennen sie die Geschichte?
Elisabeth will vom Landgrafenschloss, von der Wartburg zu ihrem gewohnten Gang zu den Armen und Bedürftigen aufbrechen, sie trifft unterwegs ihren Gatten, der ihre Arbeit unter den Armen nicht unterstützt. Auf seine Frage, was denn in ihrem Korb sei, antwortet sie: Rosen. Der Graf schlägt das Tuch zurück und entdeckt tatsächlich: Rosen. So lässt er seine Frau ziehen, und bei den Bedürftigen haben sich dann die Rosen wieder in Brot verwandelt, die frühe Witwenschaft nach dem Tod des Gatten auf einem Kreuzzug war ihr dann umso mehr Verpflichtung, sich ganz den Armen zu widmen.
So haben es die sogenannten Heiligen beispielhaft getan. Der Feiertag heute erinnert daran.
Allerheiligen. Reformationstag: Wozu sind solche Gedenktage wichtig?
Sie helfen dazu, sich zu erinnern, eindrückliche Erfahrungen zu wiederholen, sich die Ereignisse, die unsere Geschichte bestimmt haben, einzuprägen.
Erinnern, wiederholen, gedenken, einprägen: Wir leben nicht in einer geschichtslosen Welt, sondern wir haben alle eine Geschichte, in der wir stehen. Wenn ich mich an vergangene Menschen aus Geschichte und dem persönlichen Leben erinnere, dann verstehe ich, woher ich komme. Verstorbene Eltern, Angehörige, Ehegatten haben uns geprägt, andere berühmte Menschen, auch Heilige und Märtyrer haben die Geschichte der Kirchen, die Geschichte unseres Volkes an entscheidenden Punkten mitgestaltet, haben Anstöße und Impulse gegeben, ohne die wir nicht wären, was wir sind.
Vielleicht können Sie sich ja auch heute ein wenig Bedenkzeit und Gedenkzeit gönnen mit einem Gottesdienst, guten Worten und guter Musik. Es lohnt sich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11808
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