Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Mein Sohn, lass dich warnen ! Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben,
und viel Studium ermüdet den Leib.“ (Koh 12,12)
Diese Mahnung ist über 2.000 Jahre alt und findet sich in der Bibel, im alttestamentlichen Buch Kohelet. Einerseits wirkt sie ganz aktuell. Das Bücherschreiben nimmt in der Tat kein Ende. Jahr für Jahr neue Rekorde auf der Buchmesse. Die Flut der Neuerscheinungen ist kaum mehr zu überblicken. Aber ist das Volk der Dichter und Denker deshalb auch ein Volk der Leser? Wohl kaum! Glaubt man der Statistik, dann hat fast die Hälfte der Bundesbürger im vergangenen Jahr kein einziges Buch gekauft, jeder zehnte Deutsche keines gelesen. Und wo müsste heute ein Vater seinen Sohn vor zuviel Lesen warnen? Die PISA-Studie zeigt: mit der Lesekompetenz der Kinder und Jugendlichen hapert es gewaltig. Schmökern scheint „out“. Wenn gelesen wird, dann eher flüchtig am PC. Internet statt Buch. Es hat also schon seine Berechtigung, wenn der heutige „Welttag des Buches“ zur Wiederentdeckung des ältesten Mediums anregen soll.
Für den Glauben ist das Lesen von zentraler Bedeutung. Ohne ihre Heiligen Schriften wären die monotheistischen Religionen, also die Religionen, die an einen Gott glauben, nicht vorstellbar. Das Judentum verdankt sich der Thora, der Islam fußt auf dem Koran. Und auch wenn Gott nach christlicher Überzeugung in Jesus von Nazareth ein Mensch wurde und nicht etwa ein Buch (!), so hätte das Christentum ohne die Zeugnisse des Neuen Testaments keine Zukunft gehabt. In ihnen wird die Botschaft Jesu und der Glaube der ersten Christen lebendig. In der Bibel haben Menschen ihre Erlebnisse mit Gott und der Welt festgehalten. Ungezählten Lesern hat dieser Erfahrungsschatz geholfen, ihr eigenes Leben sinnvoll zu gestalten. Deshalb lebt der Glaube nicht nur vom Hörensagen, das Lesen bleibt wichtig.
Der Dichter Jean Paul hat vor 200 Jahren eine Definition geprägt, die in besonderer Weise auch für die biblischen Texte gilt: „Bücher sind nichts anderes als dickere Briefe an Freunde.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1180
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